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Muhamed achtete ihres Hohnes nicht; rastlos verfolgte er seine
Pläne. Er predigte unter seinen Stammesgenossen und unter den Pilgern
zu Mekka und forderte sie auf, dem Götzendienste zu entsagen und an seine
Sendung und Lehre zu glauben. Allein er fand wenig Gehör; die Zahl
seiner Gegner mehrte sich, und selbst seine Freunde riethen ihm, von sei¬
nem Vorhaben abzustehen. Er aber erklärte mit unerschütterlicher Festig¬
keit : „Sollten sie auch die Sonne in meine Rechte und den Mond in
meine Linke legen (d. i. sollten sie mir auch die allergrößten Vortheile
versprechen), so lasse ich dennoch nicht ab."
Den lebhaftesten Widerstand fand er bei seinen Stammesgenossen, den
Koreischiten. Seine Lehre schien ihnen Beschimpfung der vaterländischen
Religion, seine Sendung eitel Anmaßung zu sein. Sie nöthigten daher
die meisten seiner Anhänger (83 Männer und 18 Frauen) in das benach¬
barte Aethiopien zu flüchten, schlossen ein Bündniß gegen ihn und hingen
die Urkunde davon in der Kaaba auf. Dadurch sah sich Muhamed be¬
wogen, Mekka zu verlassen. Aber sein Oheim Abu Taleb schlitzte ihn und
Muhamed fand Mittel, das Bündniß der Koreischiten zu trennen. Er er¬
klärte seinem Oheim, Gott habe einen Sturm geschickt, der jedes Wort
jener Urkunde, den Namen „Gott" ausgenommen, durchlöchert habe. Wirk¬
lich wurde die Urkunde durchlöchert gefunden und die Koreischiten, heißt
es, staunten dieses Ereigniß als ein Wunder an und hoben das Bünd¬
niß auf.
4.
Um dieselbe Zeit, im Jahre 619, starb sein Oheim Abu Taleb und
seine Gattin Chadidscha; Beide hatten ihn geschützt. Jetzt nahm sich sein
zweiter Oheim, Al-Abbas, der dem Abu-Taleb als Vorsteher der Kaaba
folgte, seiner an; aber am meisten banete Muhamed ans sich selbst. Da
er sah, daß er unter seinen Stammesgenossen wenig ausrichten würde, so
wendete er sich vorzüglich an die vielen Fremden, die des Handels oder
der Wallfahrten wegen häufig nach Mekka kamen. Durch neue Offenbarungen,
die er empfangen zu haben vorgab, wußte er Glauben zu gewinnen. Be¬
sonders merkwürdig ist eine Erzählung, die mit den prächtigen Bildern
einer entzückten Einbildungskraft, die den Arabern von je her gefielen,
reichlich ausgestattet ist.
Als Muhamed einst — so heißt es in der Erzählung — unweit
Mekka unter freiem Himmel schlief, trat der Engel Gabriel in einem von
Perlen und Goldfäden durchflochtenen Kleide zu ihm und reinigte sein
Herz. Er nahm es nämlich aus Muhamed's Leibe, drückte den schwarzen
Tropfen oder den Samen der Erbsünde aus demselben heraus und er¬
füllte es mit Weisheit und Gnade. Als er es an den gehörigen Ort
zurückgebracht hatte, führte er einen wundersamen Grauschimmel herzu,
Namens Al Borak, der die Schnelligkeit des Blitzes und die Gabe der
Rede hatte. Der Prophet wollte ihn besteigen, aber das Wunderthier
bäumte sich und war nicht eher fügsam, als bis ihm Muhamed die Auf¬