6 Dar Leitalter ber religiösen Kämpfe 1619 —1648.
Formcnschönheit der antiken Literatur. Von großer Bedeutung war es,
daß im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts viele griechische Gelehrte
aus dem von den Türken bedrohten Konstantinopel nach dem Abendlande
kamen; ihnen verdankte man es, daß man auch die griechischen Schrift-
steller wieder lesen unb verstehen lernte. Bei den Menschen des Alter¬
tums glaubte man das Ideal der edlen, freien, harmonischen Mensch¬
lichkeit (Humanität) zu finden, dem man nachstrebte; Humanismus
nennt man darum diese geistige Bewegung. Von Ort zu Ort, von einem
Fürstenhof zum andern, von Hochschule zu Hochschule zogen die .Humanisten,
ein geistvolles und begeisterndes, aber unstetes und heimatloses, dazu oft
streitlustiges Geschlecht. Besondere Gunst erfuhren sie an dem Hofe der
Mediceer in Florenz.
Baukunst bet Gleichzeitig wandte sich das Interesse der Künstler den Formen der
Renaissance. ant|fen $unft zu. Mit Bewunderung studierten sie die Trümmer der
Bauten des Altertums, wie sie sich zu Nom uud anderswo fanden,
maßen ihre Verhältnisse aus, verglichen sie untereinander und suchten den
Geist der großen antiken Baumeister zu verstehen. Von den Banformen
des gotischen Stils wandten sie sich mit Verachtung ab. Eine neue
Kunst sollte aus dem Studium der alten entstehen; mächtige, schmuckvolle
Paläste, gewaltige, schön gegliederte Kirchen erhoben sich in dem neuen
Stil der Renaissance. Der großartigste Ban, der jener Zeit entstammt,
ist die Peterskirche in Nom, zu deren wundervollem Kuppelbau der
Florentiner Michelangelo Buonarroti den Plan entworfen hat.
Dildhauer- Dasselbe Zeitalter sah herrliche Werke der Plastik entstehen. Auch
als Bildhauer hat Michelangelo, der Schöpfer des zürnenden Moses,
Gewaltiges geleistet; kein andrer Bildhauer der Neuzeit kommt ihm
Malerei, gleich. Und gleichzeitig erblühte die Malerei in vielen Schulen zu
einer Höhe, die nicht wieder erreicht worden ist. Auch hier ist einer der
größten Meister Michelangelo, der die Decke der sixtinischen Kapelle
in dem vatikanischen Palast des Papstes ausgemalt hat. Neben ihm
steht der mit einem wundervollen Schönheitssinn begabte Raffael Santi
aus Urbino, der in demselben Jahre wie Luther, 1483, geboren ist, der
Schöpfer vieler Madonnenbilder, unter denen die in der Dresdener
Galerie befindliche fixtinische Madonna voransteht, und der Freskogemälde
in mehreren Zimmern des Vatikans, z. B. der Schule von Athen.
Diesen beiden geht voraus der geniale, vielseitige Lionardo da Vinci,
dessen berühmtestes Werk die Darstellung des heiligen Abendmahls an
der Wand bes Refektoriums in einem Mailänder Kloster ist; e§ folgt
ihnen der große Meister der Farbe, der Venezianer Tizian.