Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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187. Sprichwörter. 
Kein Unglück ist so groß, cs hat ein Glück im Schoß. Mit vielem 
halt man Haus, mit wenigem kommt man aus. Einem geschenkten Gaul 
sieht man nicht in's Maul. Fischfängen und Vogelstellen verderben man¬ 
chen Junggesellen. Er ist so krank als ein Huhn, mag gern essen und nichts 
thun. Man muß das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Stärke wohnt 
nicht im Gebein, sondern im Gemüth. Ein gutes Wort findet einen guten 
Ort. Allzuviel ist ungesund. Ehrlich wahrt am längsten. Aller An¬ 
fang ist schwer. Noth lehrt beten. Das Werk lobt den Meister. In 
vielen Worten ist viel Sünde. Wie die Zucht, so die Frucht. Redet 
Geld, so schweigt die Welt. Mir genügt, wie Gott es fügt. Wie gewon¬ 
nen, so zerronnen. Eigner Herd ist Goldes werth. Wer Gott vertraut, 
hat wohl gebaut. Viele Streiche fällen die Eiche. Giebt Gott Häschen, 
so giebt er auch Gräschen. Thorheit und Stolz wachsen aus einem Holz. 
Uebermuth thut selten gut. 
188. Die Kose. 
(P ar abel.) 
„Schad«/4 sagte ein Knabe zu seinem Vater, „dasz die 
Rose, wenn sie ausgeblühet hat, nicht auch eine schöne Frucht 
bringt und so der Natur ihren Dank abstattet für die schöne 
Zeit ihrer Blüte. Du nanntest sie die Blume der Unschuld und 
der Freude: dann aber wäre sie auch das Bild der Dankbarkeit.“ 
Da erwiderte der Vater: „Bringt sie denn nicht zur Ver¬ 
schönerung der Natur ihre ganze Gestalt dar? Und für den 
Thau und den Lichtstrahl, der von oben auf sie niederfällt, 
opfert sie der Luft ihren zarten Wohlgeruch. Liebes Kind, der 
zarte, unsichtbare Dank ist der schönste, und wie vermöchte 
die Unschuld undankbar zu sein?“ 
189. Die Welt im Herzen. 
In alten Zeiten lebte ein Mann, der war sehr aufbrausend und schnell 
zum Zorn, und wenn er zornig gewesen, gereute es ihn wieder. Da dachte 
er: „Das kommt von den bösen Menschen; ließen mich die in Frieden, so 
würde ich auch wohl sanftmüthig sein. Ich will lieber fortgehen in den 
Wald und ein Einsiedler werden ; da werde ich keinen mehr hören und sehen 
und werde mich nicht mehr erzürnen." So geht er fort in den Wald, 
sucht sich einen Ort, wo ein Brunnen vom Felsen herabrinnt, und will sich 
da eine Hütte bauen. Ueber der Arbeit wirb's ihm warm, und er trägt 
seinen Krug zum Brunnen und stellt ihn unter, daß er voll werde. Der 
Krug aber fällt um, und er muß ihn zum zweiten Male unterstellen. Nach 
einer Weile fällt der Krug abermals, und der Einsiedler, statt ihn wieder
	        
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