Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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und hoffen, dasz er aus den Särgen 
erblühen soll zu schöner’m Loos. 
Von dem Dome, 
schwer und bang, 
tönt die Glocke 
Grabgesang; 
ernst begleiten ihre Trauerschläge 
einenWandrer auf dem letztenWege. 
Ach! die Gattin ist’s, die theure, 
ach! es ist die treue Mutter, 
die der schwarze Fürst der Schatten 
195* Ein Besuch 
Beim Todtengräber pocht es an: 
„Mach auf, mach auf, du greiser Mann! 
Thu' aufdieThürundnimmden Stab, 
mußt zeigen mir ein theures Grab!" 
Ein Fremder spricht's mit strupp'gem 
Bart, 
verbrannt und rauh nach Kriegerart. 
„Wie heißt der Theure, der euch starb 
und sich ein Pfühl bei mir erwarb?" 
„Die Mutter ist es, kennt ihr nicht 
der Martha Sohn mehr am Gesicht?" 
„Hilf Gott, wie groß, wie braun ge¬ 
brannt ! 
Hätt' nun und nimmer euch erkannt. 
wegführt aus dem Arm des Gatten, 
aus der zarten Linder Schar, 
die sie blühend ihm gebar, 
die sie an der treuen Brust 
wachsen sah mit Mutterlust. — 
Ach ! des Hauses zarte Bande 
sind gelöst auf immerdar, 
denn sie wohnt im Schattenlande, 
die des Hauses Mutter war, 
denn es fehlt' ihr treues Walten, 
ihre Sorge wacht nicht mehr ; 
an verwaister Stätte schalten 
wird die fremde, liebeleer. 
auf dem Kirchhof. 
Doch kommt und seht, hier ist der Ort, 
nach dem gefragt mich euer Wort. 
Hier wohnt, verhüllt von Erd' und 
Stein, 
nun euer todtes Mütterlein." 
Da steht der Krieger lang' und schweigt, 
das Haupt hinab zur Brust geneigt. 
Er steht und starrt zum theuren Grab 
mit thränenfeuchtem Blick hinab. 
Dann schüttelt er sein Haupt und 
spricht: 
„Ihr irrt, hier wobnt die Todte nicht. 
Wie schloss' ein Raum, so eng und klein, 
die Liebe einer Mutter ein?!" 
196. Am Grabe des Vaters. 
t. Friede sei um diesen Grabstein her, 
sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben 
einen guten Mann begraben, 
und mir war er mehr. 
2. Träufte mir von Segen, dieser Mann, 
wie ein milder Stern aus bessern 
Welten! 
Und ich kann's nicht mehr vergelten, 
was er mir gethan. 
3. Er entschlief; sie gruben ihn hier ein. 
Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben, 
und ein Ahnen von dem ew'gen Leben 
duft' um sein Gebein — 
4. Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr, 
freundlich wird erwecken! — Ach, sie 
haben 
einen guten Mann begraben, 
und mir war er mehr. 
9 *
	        
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