Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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dingten Gehorsam, aber auch er selber'arbeitete von früh bis spat und lebte 
nur seinen Pflichten. Einen Thorschreiber in Potsdam, der die Bauern 
am Morgen warten ließ, prügelte er mit den Worten: „Guten Morgen, 
Herr Thorschreiber!" eigenhändig aus dem Bette. — Mit Eifer ließ er 
sich auch die Verschönerung der Hauptstadt Berlin und die Hebung des 
Ackerbaues angelegen sein; 15,000 Salzburger, die wegen ihres evan¬ 
gelischen Glaubens aus Oesterreich vertrieben waren, siedelte er in Ost¬ 
preußen an, wo ihnen Aecker und Wiesen überlassen, auch das nöthige Vieh 
und Geräth gegeben und Kirchen und Schulen errichtet wurden. Denn er 
war von einer aufrichtigen, einfachen Frömmigkeit erfüllt, und so hat er 
denn auch für die Volksschulen sehr viel gethan : den Eltern ward es strenge 
zur Pflicht gemacht, ihre Kinder vom fünften Jahre an in die Schule zu 
schicken, und kein Kind sollte confirmiert werden, ohne lesen und schreiben 
zu können. — Seine Lebensweise war eine überaus einfache. Abends, 
wenn er sich von den Mühen des Tages erholen wollte, lud er eine Anzahl 
von Generälen, Ministern und Gesandten zu einer Gesellschaft, und hier 
ward bei der Pfeife Taback, einem Kruge Bier und einfacher Kost die 
fteieste und ungezwungenste Unterhaltung geführt. In diesem Tabacks- 
c o l l e g i u m durfte man ihm alles rund heraus sagen; doch neben den 
ernsten Unterhaltungen überließ man sich allerlei Späßen und Neckereien, 
besonders ward durch den derben Witz des alten Dessauers die fröhliche 
Stimmung oft erhöht. 
Von ganz anderer Natur als der König war der am 24. Januar 
1712 geborene Kronprinz Friedrich. Mehr und mehr zeigte er außer¬ 
ordentliche Fähigkeiten, und unter dem Einfluß seines französischen Er¬ 
ziehers entwickelte sich in ihm eine große Neigung für Kunst und Wissen¬ 
schaft. Dagegen trieb er die militärischen Uebungen nicht mit Lust, das 
bloße Exercieren befriedigte ihn nicht, und das rohe Treiben der Soldaten 
widerte ihn an. Auch das Tabackscollegium mit seinen derben Späßen be¬ 
hagte ihm nicht, und sehr ließ er es an der vom Vater gewünschten Spar¬ 
samkeit fehlen. So bildete sich allmählich eine tiefe Verstimmung zwischen 
Vater und Sohn aus, und mit Bitterkeit äußerte der König wohl: „Fritz 
ist ein Querpfeifer und Poet, er macht sich nichts aus den Soldaten und 
wird mir meine ganze Arbeit verderben." Wo er seinem Sohne begegnete, 
drohte er ihm mit dem Stock, und in seiner leidenschaftlichen Natur be¬ 
handelte er ihn oft vor allem Hofgesinde auf's schimpflichste. So reifte 
allmählich im Kronprinzen der Plan, heimlich zu entweichen; mit einem 
Lieutenant von Kalte verband er sich zur Flucht nach England, aber die 
Unglücklichen wurden ergriffen, und der Zorn des Königs kannte jetzt keine 
Grenzen. Mit seinem Stocke schlug er den Sohn blutig, ja er würbe ihn, 
durch seine festen Antworten gereizt, mit dem Degen durchbohrt haben, 
wenn sich nicht der General von*Mosel zwischen beide geworfen hätte. Der 
Lieutenant von Kalte ward als Ausreißer vor des Kronprinzen Augen hin¬ 
gerichtet ; er selbst ward auf die Festung Küstrin gesetzt, und hier mußte er 
täglich über sieben Stunden in Regierungssachen arbeiten, auch im übrigen
	        
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