Full text: Für einen einjährigen Unterricht in einer unteren Klasse berechnet (Kursus 1)

Friedrich der Große. 
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seinen erschöpften Soldaten auch auf diese los. Da ging der Sieg in völlige 
Niederlage über. Ganze Regimenter erlagen dem furchtbaren Kartätschcnfener 
der Feinde; zugleich brach die österreichische Reiterei auf allen Punkten los 
und grauenvoll ward die Niederlage und Flucht der Preußen. Mitten in 
diesem Getümmel hielt der König in dumpfer Verzweiflung; zwei Pferde 
waren schon unter ihm gefallen, eine Kugel war nur durch ein goldenes 
Etui in seiner Westentasche aufgehalten worden und dennoch wollte er nicht 
weichen. Mit Gewalt mußte man ihn vom Schlachtfelde reißen. „Alles 
ist verloren, retten Sie die königliche Familie!" schrieb er gleich nachher an 
seinen Minister von Finkenstein; und einige Stunden später: „Ich werde des 
Vaterlandes Sturz nicht überleben. Gott befohlen auf immer!" 
Und in der That war seine Lage nie so verzweiflungsvoll, als setzt. 
Nur 5000 Mann sammelten sich am andern Morgen um seine Fahnen; fast 
alles Geschütz war verloren. Doch auch theuer war der Sieg von den Ver¬ 
bündeten erkauft worden, so daß der russische Feldherr sagte: „Noch ein 
solcher Sieg, und ich muß allein, mit einem Stabe in der Hand, nach 
Petersburg wandern, um ihn zu verkünden." 
Nach diesem Siege stand den Russen und Oesterreichern der Weg nach 
dem Herzen der preußischen Staaten offen, aber Uneinigkeit der beiden Feld¬ 
herren rettete den König. Soltikow, der, als ihn Daun zum Vorrücken 
aufforderte, diesem zurückgeschrieben hatte: „Es ist nicht billig, daß das Heer 
meiner Kaiserin Alles allein thue; sobald auch Sie, wie ich, zwei Schlachten 
gewonnen haben werden, werde ich vorrücken," ging nach Polen zurück, und Fried¬ 
rich, der dadurch Zeit zu ucuen Rüstungen gewann, konnte bald in Sachsen vor¬ 
dringen, wo Daun bereits Dresden eingenommen hatte (4. September). 
Zwar gelang es Letzterem auch 15,000 Preußen unter General Fink bei 
Maxen H einzuschließen und nach blutiger Gcgemvehr 11,000 gefangen zu 
nehmen (17. November); aber gleichwohl konnte er in Sachsen keine weitern 
Fortschritte machen. 
5. Das Kriegsjahr 1 760. Der Feldzug von 1760 fing eben 
so unglücklich an, als der vorige geendet hatte. Ein preußischer Heerhanfen 
von 8000 Mann unter General Fouquet wurde von einer viermal stär¬ 
kern Anzahl unter Laudon bei LaudshuN) umzingelt, theils niederge¬ 
hauen, theils gefangen (23. Juni). Dessen ungeachtet verlor Friedrich den 
Muth nicht. Eilig zog er, nachdem er Dresden vom 14. bis 26. Juli 
vergeblich belagert und beschaffen hatte, durch die Oberlausitz nach Schlesien 
und schlug den General Laudon bei LiegnitzH, wodurch der Sieger Schlesien 
wiedergewann. 
Inzwischen hatte Daun fast ganz Sachsen erobert, aber auch dieses 
Land kam mit Ausnahme von Dresden in die Gewalt der Preußen durch 
die blutige Schlacht bei Torgau H (3. November). Dort hatten die Oester- 
reicher aus einer Anhöhe eine feste Stellung genommen und durch ihre 200 
Feuerschlünde schon über 6000 der anstürmenden Preußen todt oder ver- 
H Maxen, Dorf westlich von Pirna (S. 202. Anm. 2.). Dann nannte diese 
glückliche Unternehmung „den Finkenfang." — Landshnt, Stadt am südöstlichen 
Fuße des Niesengebirges (am Bober), südlich von Liegnitz. — Liegnitz, Stadt an 
der Katzbach, sieben Meilen westlich von Breslau. — Torgau, Stadt und Festung 
am linken Ufer der Elbe, gehörte bis 1815 zu Sachsen.
	        
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