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wusste nun in den Zeiten der Trübsal, woher ein Christ sich allezeit Trost zu
holen hat. Aber sie lernte auch von Kindheit auf den rechten Gottesdienst
üben. An der Hand ihrer Erzieherin — ihre Mutter war früh gestorben —
verließ sie oft den Palast ihres Vaters und pilgerte in die Hütten der Armuth,
und das holde Fürstenkind erschien den Dürftigen und Leidenden als ein Engel
der Milde. Im Jahre 1793 fügte es sich, dass sie in der Stadt Frankfurt
am Main mit dem damaligen Kronprinzen von Preußen, dem nachmaligen
König Friedrich Wilhelm III., zusammen traf. Der aber hat die edle
Fürstentochter sogleich in seinem Herzen zu seiner Gemahlin erkoren, und ehe
das Jahr um war, war sie Kronprinzessin von Preußen. Da war ein Jubel
in der Stadt, als die junge Prinzessin einzog, und das ganze Land freute sich
mit. Denn so ist es immer gewesen in Preußen: die Festtage des hohen
Fürstenhauses sind auch die Festtage des Volks.
Es war eine gesegnete Ehe, welche das neuvermählte Paar führte. Nirgends
weilten sie lieber, denn daheim in ihrer Häuslichkeit. Dem Volke aber gefiel
es, dass Luise ein mildes Herz hatte für die Leiden und die Noth der Armen;
ihre Leutseligkeit und ihr mildes Wesen gewannen ihr alle Herzen. Das hohe
Paar verkehrte auch gern mit schlichten, einfachen Leuten; das blieb noch so,
als der Kronprinz schon König geworden war.
Nicht weit' von Potsdam liegt das Gut Paretz. Daselbst weilten
Friedrich Wilhelm und Luise oft gern und verlebten Tage herziger
Freude. Der König ließ sich am liebsten als „den Schulzen von Paretz" an¬
sehen, und seine Gemahlin hieß „die gnädige Frau von Paretz." Hatten die
Landleute ihre Garben eingebracht, und feierten sie dann das Aerntefest bei
Spiel und Tanz, so mischte die hohe königliche Frau sich unter die lustigen
Tänze der jungen Bauernsöhne und Töchter und tanzte vergnügt mit. Auch
sonst, wenn sie ein Dorffest feierten in Paretz, verkehrte sie fröhlich mit den
Bauersleuten, und die liebe Dorfjugend umringte sie jubelnd, wenn sie von
Bude zu Bude ging, um Geschenke einzukaufen für die Kinder, die hinter ihr
her riefen: „Mir auch was, Frau Königin!" —
2. Die Jahre der Trübsal.
Es glaubt Mancher, dass in den Schlössern der Fürsten nur Freude wohne
und Glück; aber wenn er die Sorge kennte eines guten Königs um sein Land
und sein Volk und die schlaflosen Nächte, die auch eine Königin hat: er würde
zufrieden leben in seiner Hütte.
Als nach der Schlacht bei Jena die Franzosen das Land überzogen,
musste auch die Königin Luise fliehen. Sie eilte mit ihren Kindern bis an
die fernste Grenze des Reiches. Wer hat die Thränen gezählt, welche die
Königin damals geweint hat! In jenen Tagen des Verraths, als eine
Schreckensnachricht die andere jagte, und es ganz aus zu sein schien mit dem
Vaterlande, sprach sie zu ihren Kindern: „Ihr seht mich in Thränen; ich be¬
weine den Untergang meines Hauses und den Verlust des Ruhmes, mit dem
eure Ahnen und ihre Generale den Stamm Hohenzollern gekrönt haben.
Das Schicksal zerstörte in einem Tage ein Gebäude, an desien Erhöhung große
Männer zwei Jahrhunderte hindurch gearbeitet haben. Ruft künftig, wenn eure
Mutter und Königin nicht mehr lebt, diese unglücklichen Stunden in euer Ge-
dächtniss zurück und weint meinem Andenken Thränen. Aber begnügt euch