§. 504. 2. Italien, (a. Ober-Italien.) 909
ruhmvollen Amtsführung durch eine feindliche Gegenpartei seiner Würde entsetzt
und sein einziger Sohn mit Folterqualen so zugerichtet, daß er den Tod davon¬
trug, worüber dem alten Vater das Herz brach. Im Anfang des sechszehnten
Jahrhunderts kam der Freistaat an den Rand des Untergangs durchs den
Bund (Ligue) von Cambray, in welchem sich Kaiser Maximilian,
Ludwig XII. von Frankreich, Ferdinand der Katholische von Aragonien
und Papst Julius II. zu einer Theilung des venetianischen Gebiets ver¬
einigten. Schon bedrohten die Franzosen, damals im Besitz von Malland, nach
dem Sieg von Agnadello die reiche Stadt mit einer Eroberung, als es
dem klugen Rath glückte, den Bund zu trennen und durch einige Opfer die
Freundschaft des Papstes und Ferdinands zu gewinnen. Beide verbanden sich
mit den Venetianern durch die Heilige Liga zur Vertreibung der Franzosen
aus der apeuninischen Halbinsel, ein Bündniß, dem auch bald der Kaiser Maxi-
mllian und der König von England beitraten. Auf diese Weise gelang die
Rettung Venedigs; die Franzosen wurden nach langen Kämpfen zum Abzug aus
Italien gebracht und die Schweizer setzten ihren Schützling Maximilian Sforza
als Herzog von Mailand ein; die Republik erlangte wieder ihre alten Grenzen
aus dem festen Lande und die Städte Brescia und Verona kehrten nach längerer
Entfremdung von Neuem 1513 unter das Regiment der Herren von San Marco
zurück. Aber unheilbar waren die Schläge, die Venedig durch die Gründung
des osmauischen Reichs in seinen östlichen Besitzungen und durch die Entdeckung
des Seewegs nach Ostindien in seinem Handel erfuhr. Seitdem war die sym¬
bolische Vermählung des Dogen mit der Adria auf dem Staatsschiff Bu-
centoro eine bedeutungslose Feier. — Die unersättliche Begierde nach Geld
und Reichthum verhärtete die Herzen der Venetianer; dadurch wurden die
Familienbande gelockert und das religiöse und kirchliche Leben geschwächt. „Und
so sehen wir denn am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Venedig einen
Staat ohne alle Frömmigkeit, voll des härtesten Verstandes, voll der energischsten
Achtung des Gesetzes wie der energischsten Ungerechtigkeit gegen die Unterthanen
und voll der größten sinnlichen Losgebundenheit, die nur, weil Fähigkeit und
Sinn vorhanden war, weil die unversiegbare Quelle geistreicher Lust, wie sie
allen Italienern von der Natur geschenkt scheint, auch dem Venetianer sprudelte,
in der kunstreichen Gestaltung des geselligen Umganges und in den herrlichen
Werken zeichnender Künste noch eine Veredlung fand."
§. 504. Genua. Venedigs stolze Nebenbuhlerin war Genua. Nachdem
dieser Freistaat im dreizehnten Jahrhundert die Macht Pisa's gebrochen und
den westlichen Handel und den Besitz von Corsica und Sardinien errungen
(welche letztere Insel jedoch an Aragonien kam), richtete er seine Blicke nach
der Levante, und suchte Venedig aus dem Alleinbesitz des morgenländischen
Handels zu treiben. Darüber entstanden heftige Kriege und manche blutige
Seetreffen; aber Venedigs Klugheit, gepaart mit Tapferkeit und Standhaftigkeit,
bewirkte, daß die Republik S. Marco aus jedem Kampfe mit Ehre und Gewinn
hervorging, obschon einst in dem erwähnten Krieg von Chioggia die genuesische
Flotte siegreich die Lagunen befuhr. Geuua's glänzende Marmorpaläste, sein
mit einem Walde von Masten bedeckter Seehafen, seine Handelsschiffe und
Kriegsflotten zeugten von dem Reichthum der Stadt und von dem Unternehmungs-
1457.
1506,
1509»
151L
1513,
1380.