Full text: Erbauliches und Beschauliches (Teil 1, [Schülerbd.])

8. Der Sonntag. 
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Wetter am wütendsten tobte und das Schiff wie einen Spielball 
haushoch hinauf- und hinabschleuderte, kam das Takelwerk am 
Hauptmast in Unordnung, und der Schaden mußte ausgebessert 
werden. Doch in dem Tumult des Sturmwindes auf den Mast 
zu klettern, schien fast unmöglich; es war ein Wagestück auf 
Leben und Tod. Gleichwohl befahl der Steuermann einem 
Schiffsjungen hinaufzusteigen. Der war ein junger, zarter 
Bursche, kaum dreizehn Jahr alt, das einzige Kind einer armen 
Witwe, welche ihr Liebstes hatte in die Welt gehen lassen, weil 
sie selber kaum satt zu essen hatte. 
Als der Junge den Befehl vom Steuermann empfangen, 
hob er seine Mütze auf, blickte nach der Spitze des Mastes 
und wieder hinab in die schäumenden Wellen, die wie mit 
Nuten gepeitscht übers Verdeck schlugen, und sah dann den 
Steuermann an. Einen Augenblick schwieg er; darauf sagte 
er: „Ich komme gleich!" Er sprang über das Verdeck in die 
Kajüte. Eine Minute verging, dann kehrte er zurück, und nun 
stieg er die Strickleiter entschlossen und flink hinauf. 
Der Mann, welcher diese Geschichte erzählt hat, stand unten 
am Maste, und seine Blicke folgten dem Knaben, bis ihm schwin¬ 
delte. Er fragte den Steuermann: „Warum schickst du den 
hinauf? Er kommt nicht lebendig herunter!" Der Steuermann 
antwortete: „Männer fallen; Jungen stehen. Der klettert wie 
eine Eichkatze!" 
Der andere sah wieder hinauf; noch stand der Junge! Jetzt 
hing er am Mastkorb; jetzt stieg er weiter. Der Sturin raste 
und tauchte den Mast in die Flut ein; der Junge hielt sich. — 
Nach einer Viertelstunde war er unten, wohlbehalten und 
frisch und lachte fröhlich. — „Gott sei gedankt!" rief jener; vor 
Angst hatte ihm das Herz fast stille gestanden. 
Denselben Tag noch suchte er den Jungen zu sprechen. 
Er fragte ihn, ob ihm nicht bange gewesen sei. „Ja", sagte 
der Junge. — „Ich merkte es wohl," sagte der andere; „du 
hast dir das Wagestück auch erst in der Kajüte bedacht." — 
„Bedacht nicht," sprach jener; „ich wollte erst beten. Ich dachte, 
herunter komme ich nicht wieder lebendig; da mußte ich beten. 
Hernach war mir nicht mehr bange." — Der Mann fragte 
ihn, wo und von wem er das Beten gelernt habe. — „Zu¬ 
hause," sagte der Junge; „die Mutter hat es mich gelehrt. 
Beim Abschiede ermahnte sie mich, das Beten nie zu unterlassen." 
8. Der Sonntag. 
Nicht menschliche Einrichtung ist der Sabbat; er ist Gottes 
heilige Stiftung. Der hat ihn eingesetzt durch seine Ruhe am 
siebenten Schöpfungstage.
	        
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