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d) Geb* fleifeig um mit deinen Kindern! H
(Hier abgedruckt für einen Elternabend.)
P. C. Was für ein herrlich, köstlich Werk, um das die kinderlosen
uns Kindergesegnete so oft beneiden, was für ein köstlich Werk trotz Mühe
und Sorge und Kummer und Tränen: Kinder erziehen! —
Ich denke oft an Leopold Schefers Wort: ,,Geh fleißig um mit deinen
Kindern! Habe sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, und laß dich lieben
einzig schöne Jahre!" Dies schlichte Wort hat mir Hunderte von Malen vor
meiner Seele gestanden, und seinen großen Wert habe ich oft erfahren. —
Wir sind meist viel zu wenig mit unseren Kindern zusammen. Allerhand
kommt uns dazwischen. Und statt uns mit ihnen draußen in der herrlichen
Gottesnatur am sonnigen Sonntag-Nachmittag zu erholen von der sauren
Arbeit der vergangenen Woche und neue Kräfte zu sammeln für die Mühe
und Plage der kommenden, da sitzen wir Väter oft genug eng zusammenge¬
pfercht in rauchiger Wirtsstube bei Karte und Kanne, sitzen die Mütter bei¬
sammen im Kaffeeklatsch, und die Kinder — überlassen wir sich selbst! —
Der dies schreibt, ist kein Trinker und Spieler, auch kein Mucker, Kopf¬
hänger und Menschenfeind; aber er weiß, daß er mit Tausenden und Abertausen¬
den deutscher Väter und Mütter oft und oft gefehlt, darin nämlich, daß er's
versäumt: „Geh' fleißig um mit deinen Kindern . .!" Ja, es ist so. Und
dabei bleiben wir taub und blind samt unsern Kindern für die so billigen
Natur- und für andere edle Genüsse, für die noch ungezählten Herrlichkeiten, die
kein Kummer des Lebens uns nehmen kann.* 2) Wir spüren mit ihnen nichts
von den linden Lüften des Lenzes, die da säuseln und weben Tag und
Nacht. Sehen nichts von dem Käferchen im Eoldrocke da, das mit hurtigen
Beinlein uns über den Weg hastet. Hören nichts von dem herzigen Sang
der wiedergekehrten fröhlichen Scharen in Feld und Wald und Heide. Sind
ohne Teilnahme für die früchtereifende Vollkraft des Sommers, für den
spendenausschüttenden Herbst, für den flockenden Winter mit wirbelndem Sturme
oder mit Sonnenschein in Silberglast und -glanz. Stumm, taub, blind mit
unseren Kindern für das alles, bis wir selber stehen im Winter des Lebens,
und es ist für immer vorbei mit dem augenöffnenden, seelenweckenden Lebens-
fonnenschein! — —
Aber noch fühlen wir in uns den regen Pulsschlag kräftigen Lebens! Es
lebe das herrliche, goldene Leben, das wir mit unseren Kindern leben wollen.
Genießen wollen wir mit ihnen draußen in oer Natur, im Sonntagnachmittags-
*) Veröffentlicht von der Preß-Kommiffion des Schlesischen Lehrervereins. V.
V. d. B.
2) Dies Wort hab' ich entnommen dem Büchlein „Heb' mich auf", das man
für etwa 20 Pfennige — von Georg D. W. Callwey in München, dem Geschäftsführer
des Dürerbundes, bekommt, und das dieser Bund der deutschen Jugend gewidmet hat.
Wenn doch dies Büchlein in recht viele deutsche Häuser käme! Was für Segen brächte
es den deutschen Harzen! Ist ja sein Zweck kein anderer, als: Rechte Freuden in unser
Leben schaffen! Hierbei seien zugleich des Dürerbundes Kalender „Gesundbrunnen"
jedem Schul-, jedem Lehrer-, jedem deutschen Hause warm empfohlen!