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Mit dem Tode des Marcus Anrelius ging die Glanzzeit des 
römischen Weltreiches zu Ende. Zwei Jahrhunderte hindurch 
hatten sich unter dem Schutze des fast überall herrschenden Friedens 
Handel und Wandel der Mittelmeerländer zu schöner Blüte ent¬ 
salten können. Wie das römische Recht einheitlich im ganzen 
Reichsgebiete galt, so verbreiteten sich durch die allenthalben ge¬ 
gründeten Kolonien, durch die italischen Kaufleute und Soldaten 
römische Sitte und Kultur allmählich über alle Teile des Reiches. 
Festgefügte Heerstraßen durchzogen das weite Gebiet, und zahl¬ 
reiche Städte wuchsen empor. Gewaltige Wasserleitungen versorgten 
die wohlummauerten Städte mit gesundem Wasser, Hallen und 
Basiliken dienten der Regelung des Verkehrs, Bäder, Theater und 
Amphitheater der Gesundheit und der Unterhaltung des Volkes. 
Auch die Literatur zeitigte eine schöne Nachblüte, die dem Jahr¬ 
hundert nach Augustus den Namen des silbernen Zeitalters 
der römischen Literatur gebracht hat. Neben dem schon 
erwähnten Philosophen Seneca stehen der Naturforscher Plinius 
und der Geschichtschreiber Täcitus sowie der griechische Schrift¬ 
steller Plutärch. 
Aber in der langen Friedenszeit, während deren fast nur an 
den Reichsgrenzen die Waffen klirrten, war die große Masse des 
Volkes unkriegerisch geworden und körperlich erschlafft. Die Truppen 
aber, die nur mehr aus Berufssoldaten bestanden, wurden ihrer 
Überlegenheit sich bewußt und begannen aufs neue und nachhaltig 
in die Regierung des Reiches sich einzumischen. 
§ 97. V. Die Zerrüttung des Reiches unter den Soldatenkaisern. 
Seit der Ermordung des Commodus (192) wurden ein Jahr¬ 
hundert hindurch die Kaiser von den Legionen oder den über¬ 
mächtigen Prätorianern erhoben, welche nach Willkür die Krone 
vergaben und die von ihnen eingesetzten Kaiser oft auch wieder 
stürzten. Fast alle diese Herrscher starben nach kurzer Regierung 
eines gewaltsamen Todes. Während das Reich durch diese fast 
unaufhörlichen Thronstreitigkeiten und Meutereien der Heere 
schwer heimgesucht wurde, litt es zu gleicher Zeit unter den ver¬ 
heerenden Einfällen der Grenzvölker. Am Rhein drangen die 
germanischen Stämme der Franken und Alemannen, an der unteren 
Donau die germanischen Goten plündernd in das Innere des
	        
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