Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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welche folgte, und das Knäblcin schlief gut auf seinem Kissen und 
träumte nichts Böses. Wer hat aber von den beiden am besten 
geschlafen? _ 
DaS Gesetz ist ein Zügel, ein Spiegel, ein Riegel. 
DnS Gesetz ist ein Stockmeister für die Ungläubigen, ein Zuchtmcister auf 
Christum und ein Lehrmeister für die Wiedergebvrne». 
115. Gottes Haus. 
Wo wohnt der liebe Gott? Sieh dort den blauen Himmel an, 
wie fest er steht so lange Zeit, sich wölbt so hoch, sich streckt so weit, 
daß ihn kein Mensch erfassen kann; und sieh der Sterne goldnen Schein 
gleich als viel tausend Fensterlein: das ist des lieben Gottes Haus, da 
wohnt er drin und schaut heraus, und, schaut mit Vateraugen nieder 
auf dich und alle deine Brüder. 
Wo wohnt der liebe Gott? Hinaus tritt in den dunkeln Wald; 
die Berge sieh zum Himmel gehn, die Felsen, die wie Säulen stehn, der 
Bäume ragende Gestalt; horch, wie es in den Wipfeln rauscht, horcv, 
wies im stillen Thale lauscht, dir schlägt das Herz, du merkst es bald, 
der liebe Gott wohnt in dem Wald; dein Auge zwar kann ihn nicht 
sehen, doch fühlst du seines Odems Wehen. 
Wo wohnt der liebe Gott? Hörst du der Glocken hellen Klang? 
Zur Kirche rufen sie dich hin. Wie ernst, wie freundlich ists darin! Wie 
lieb und traut, und doch wie bang! Wie singen sie mit frommer Lust! 
wie beten sie aus tiefer Brust! Das macht, der Herr Gott wohnet da; 
drum kommen sie von fern und nah, hier vor sein Angesicht zu treten, 
zu flehn, zu danken, anzubeten. 
Wo wohnt der liebe Gott? Die ganze Schöpfung ist sein Hauö. 
Doch wenn es ihm so wohl gefällt, so wählet in* der weiten Welt er 
sich die engste Kammer curS. — Wie ist des Menschen Herz so klein! 
Und doch auch da zieht Gott hinein! O, halt das deine fromm und 
rein; so wählt ers auch zur Wohnung sein, und kommt mit seinen Him- 
melsfreuden, und wird nie wieder von dir scheiden. 
116- „Der Mensch ein Leib, den deine Hand, so wunderbar be¬ 
reitet — 
Zwei Cardinäle ritten einst über Feld. Da sahen sic einen 
Hirten stehen, der weinte bitterlich. Der eine voll ihnen, ein gllter 
lieber Herr, ritt hin zu ihm und fragte, was ihm wäre. Da hob der 
Mann, nachdem er lange vor Weinen nicht hatte zum Sprechen 
kommen können, also an: „Darum weine ich, daß mich Gott zit 
einem so feinen Geschöpf gemacht hat und nicht zu einem so unge¬ 
stalteten Thiere, wie'diese Kröte da, und daß ich das nie erkannt 
und noch nie ihm Lob und Dank dafür gesagt habe." Der Car¬ 
dinal staunte über das Wort deö Hirten, denn auch er hatte dem 
Vater im Himmel noch nie gedankt für seine schöne Menschengestalt.
	        
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