mich umschloß, etwas nachgab, wenn ich mich vorsichtig bewegte.
Endlich sprengte ich mein Gefängnis und kroch heraus. Bald
wurde es hell um mich her, so daß ich die Augen furchtsam
schloß. Nach und nach öffnete ich sie wieder und staunte darüber,
wie sehr mich der liebe Gott verwandelt hatte. Meine sechs kurzen
Beine waren weit länger geworden; am Kopfe trug ich zwei gerollte
Hörnchen, die ich zierlich bewegte, und auf dem Rücken waren
mir zwei Mäntel gewachsen, die ich nach Belieben heben und
senken konnte. Eben freute ich mich über diesen neuen Schmuck,
als unter den braunen Mänteln zwei lange, feine Flügel her¬
vorschnellten, die mich hoch in die Luft erhoben, wenn ich sie
bewegte. Hei, das war eine Lust! Aber als ich mich in der Luft
herumtummelte, kam ich an ein Fenster. Kleine Händchen fingen
mich, ließen mich aber zum Glück bald wieder los, indem die
Kinder sangen: Maikäfer flieg! Maikäfer flieg!1 Ich flog vergnügt
ins Freie. Kinder, die auf der Wiese spielten, bemerkten mich,
klatschten vor Freuden in die Hände und riefen: ,Ein Maikäfer,
ein Maikäfer!* Ich flog stracks einem nahen Baume zu, um mich
mit vielen meiner Kameraden an den saftigen Blättern zu laben
und vergnügt zu spielen.“
E
33. Blauveilcben.
Romanzen, Erzählungen, Legenden.
Hin kleines Blauveilchen
stand eben erst ein Weilchen
unten im Tal am Bach.
Da dacht es einmal nach
5 und sprach:
„Daß ich hier unten blüh',
lohnt sich kaum der Müh',
muß mich überall bücken
und drücken,
10 bin so ins Niedre gestellt,
sehe gar nichts von der Welt;
drum wär' es ganz gescheit getan,
ich stieg' ein bißchen höher hinan.*'
Und wie gesagt, so getan.
15 Aus dem Wiesenland
mit eigner Hand
Von Friedrich sortier.
Berlin 1838. 8. 86.