Full text: [Teil 1 = Kl. 8] (Teil 1 = Kl. 8)

begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber ixmgte nicht, was das 
für ein böses Tier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten 
Tag, Rotkäppchen," sagte er. „Schönen Dank, Wolf." — „Wo 
hinaus so früh, Rotkäppchen?" — „Zur Großmutter." — „Was 
trügst du unter der Schürze?" — „Kuchen und Wein! Gestern 
haben wir gebacken, da soll sich die schwache und kranke Gro߬ 
mutter etwas zugut tun und sich damit stärken." — „Rotkäppchen, 
wo wohnt denn deine Großmutter?" — „Noch eine gute Viertel¬ 
stunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da 
steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen," 
sagte Rotkäppchen. Der Wolf dachte bei sich: „Das junge, zarte 
Ding, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken 
als die Alte; du mußt es listig anfangen, damit du beide er¬ 
schnappst." Da ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen her; 
dann sprach er: „Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, 
die ringsumher stehen! Warum guckst du dich nicht um? Ich 
glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? 
Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und 
ist so lustig haußen in dem Wald." 
3. 
Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die 
Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles 
voll schöner Blumen stand, dachte es: „Wenn ich der Großmutter 
einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude machen; 
es ist so früh am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme," 
lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. 
Und wenn es eine gebrochen hatte, ineinte es, weiter hinaus 
stünde eine schönere, und lief danach und geriet immer tiefer in 
den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem 
Haus der Großmutter und klopfte an die Tür. „Wer ist draußen?" 
— „Rotkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach ans!" — 
„Drück nur auf die Klinke!" rief die Großmutter, „ich bin zu 
schwach und kann nicht aufstehen." Der Wolf drückte ans die 
Klinke, die Tür sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu 
sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und verschluckte sie.
	        
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