Sie kehren aus dem schönen Süden
mit junger Lust zum heimischen Nord;
nichts mag den sichern Flug ermüden —
sie kommen auch an ihren Ort!
Und du, mein Herz! in Abendstille
dem Kahn bist du, dem Vogel gleich,
es treibt auch dich ein starker Wille,
an Sehnsnchtsschmerzen bist bit reich.
Sei's mit des Kahnes stillem Zuge,
zum Ziel doch geht es immer fort;
sei's mit des Kranichs raschem Fluge —
auch du, Herz, kommst an deinen Ort!
60. Trieb nach aben und unten.
(Friedrich Rückert.)
In allem Leben ist ein Trieb
nach unten nub nach oben;
wer in der rechten Mitte blieb
von beiden, ist zu loben.
In Hochmut überheb dich nicht
und laß den Mut nicht sinken!
Mit deinem Wipfel, reich ins Licht
und laß die Wurzel trinken!
61. Das Kornfeld.
(Nach Hermann Masius.)
Es ist uns geläufig geworden, wenn wir von Natur und Natur¬
schönheit reden, nur an reine, von Menschenhand unberührte Formen der
Landschaft zU denken. Unbewußt oder bewußt liegt dieser Gewohnheit
eine richtige Anschauung zu Grunde. Denn wo der Mensch, sei es bildend,
sei es zerstörend, eingreift in die Gestaltung der Erdfläche, da ist es fast
überall ein Bedürfnis, das ihn treibt, ein Nutzen, den er erstrebt, lind wie
im Reiche der Kunst, so wird auch in dem der Natur der spröde Zweck
meistens der Tod des Schönen sein. Natur und Kultur stellen Gegensätze
dar. Aber allerdings keine unvereinbaren Gegensätze. Nichts beweist dies
vielleicht deutlicher als der Park oder die Knnstlandschaft, die — wie der
Name sagt — eben ans Grnndzügen, von der Natur selbst gegeben und
im Geiste derselben gefaßt, eine gleichsam ideale Wirklichkeit schafft. Aber
man darf vielleicht noch weiter gehen und behaupten, daß keine der Ge¬
stalten, in welche der erobernde Mensch den Boden zwang, jener Poesie
ganz entbehre, die aus freier Natur allenthalben weht. Ja selbst die
ärmste aller Knltnrformen, selbst das Kornfeld hat noch immer einigen
Anteil an dem stillen, tiefen Reiz des Erdlebens.
Die Kornarten gehören zu den Gräsern. Mit einer seltenen Fülle