Full text: [2 = Ober-Tertia, [Schülerband]] (2 = Ober-Tertia, [Schülerband])

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Die besondere Kriegstüchtigkeit der Landsknechte erfüllt uns mit um so 
größerer Bewunderung, wenn wir bedenken, wie wenig ausgebildet das Heer¬ 
wesen und namentlich der Kampf zu Fuß vor der Zeit der Landsknechte 
war. Noch im Jahre 1490 waren die Bürger des so waffentüchtigen 
Augsburg in langer Reihe je zwei und zwei hintereinander inä Feld gerückt, 
eine Aufstellung, wie man sie sich für ein Kriegsheer kaum naiver denken 
kann. Dann hatte um die Wende des Jahrhunderts das noch unfertige 
Landsknechtswesen seinen alten Lehrmeistern, den Schweizern, noch hartes 
Lehrgeld zahlen müssen. Im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts aber 
zeigten sich die Deutschen den Eidgenossen nicht nur ebenbürtig, sondern 
überlegen. Sie wurden aus Geschlagenen siegreiche Überwinder der stolzen 
Nachbarn, deren Ruhm vor dem neu aufgehenden Gestirn der Landsknechte 
zu verbleichen begann. 
Zwar war von kunstgerechtem Exerzieren und Drillen, wie es im 17. 
und namentlich im 18. Jahrhundert bei den Soldaten üblich wurde, bei den 
Landsknechten noch keine Rede; noch gab es nicht, wie in der „Kriegskunst" 
des Obersten von Wallhausen, welche 1615 mit vielen Kupfern geziert er¬ 
schien, 143 Tempos, die der Hakenschütze erlernen mußte, um richtig mit 
dem Gewehr und der zum Auflegen des Gewehres bestimmten Gabel um¬ 
gehen zu können, sowie 21 Tempos für den Gebrauch des Spießes. Die 
Anweisung, die der Landsknecht für den Gebrauch des Spießes erhielt, war 
eine sehr einfache. Besondere Übungen forderte hauptsächlich nur die Auf¬ 
stellung der Landsknechte zum Gefecht. 
Die eigentliche Stärke dieser Truppen lag im Kampf in offenem 
Felde. Unwiderstehlich war vorzugsweise ihr Massenanprall, unübertroffen 
die eherne Ruhe, mit welcher sie, gleich dem Igel in einen Knäuel zu¬ 
sammengeballt, durch einen undurchdringlichen Lanzenwald jedem Angriffe 
Trotz boten. Das Wort „Igel" ist nicht nur ein treffendes Bild für das 
Wesen der Sache, sondern es war damals wirklich der übliche Ausdruck 
für jene „Geviertordnung", die wir jetzt mit fremdem Worte „Carre" nennen. 
Der Geviertordnung des Igels ging beim Sturme, wie bei jedem 
Angriffe der „verlorene Haufe" voran. Dieser bestand in den meisten 
Fällen aus Freiwilligen; zuweilen wurden seine Glieder auch durch das 
Los bestimmt, oder die Fähnlein hatten nach bestimmter Reihenfolge diesen 
mühseligen Dienst zu versehen. Wer zum verlorenen Haufen gehörte, 
tat gut, wenn er vor dem Beginne des Kampfes seine Rechnung mit dem 
Himmel abschloß. 
Dem verlorenen Haufen folgte der „helle Haufen", die Masse des 
Heeres, bei größeren Heeren aus mehreren Regimentern, also aus etwa 
10- bis 12000 Mann bestehend, in regelrechtem Viereck, dessen Front jedoch 
nie über 101 Mann betragen sollte. Nach allen Himmelsgegenden standen
	        
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