Full text: Haus und Vaterland I (Bd. 4 (5. Schulj.))

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„würde mir Armen helfen.“ Und sie, der Rührung nicht mehr ge¬ 
bietend, erlaubt ihm, einen Ärmel des kostbaren Gewandes zu 
nehmen. Als sie darauf an des Königs Tafel erscheint, trägt sie 
einen andern Mantel als am Morgen, und scheinbar erstaunt fragt 
sie der König, warum sie die Tracht gewechselt. Verlegen sucht 
sie nach einer Ausflucht. Da läßt der König den abgelegten Mantel 
holen, um sie zu beschämen; denn er trug den Ärmel bei sich, 
den sie ihm gegeben hatte. Aber siehe, ein Wunderl Als das Ge¬ 
wand gebracht wurde, fanden sich beide Ärmel an ihm, und der 
König bekannte, die er habe erproben wollen, habe der Himmel 
erprobt gefunden. 
Edithas weiches Gemüt spiegelt sich auch in einer andern 
Sage. Eine Hirschkuh kam einst, so heißt es, in tiefer Nacht zu 
Magdeburg an ihr Schlafgemach. Leise scharrte sie an der Tür 
und schritt, als ihr geöffnet war, zum Lager der hohen Frau; 
winselnd und stöhnend, als wolle sie einen tiefen Schmerz aus¬ 
drücken, streckte sie sich zu den Füßen der Herrin nieder und 
suchte dann wiederum die Weite. Editha befahl einem Jäger, dem 
Tier zu folgen. Er ging der Spur nach und fand jenseit der Elbe 
die Hirschkuh mit einem ihrer Jungen beschäftigt, das sich in 
einer Schlinge gefangen hatte. Der Jäger befreite das Tier, und 
schnell eilte die Mutter mit dem Jungen in das tiefe Gebüsch. Froh 
hörte Editha, wie der armen Mutter geholfen war. 
In solchen Erzählungen lebte jahrhundertelang das Andenken 
der guten Königin fort und vererbte sich von Kind auf Kindes¬ 
kind. Sie fand ihr Grab zu Magdeburg in dem Kloster des heiligen 
Moritz, welches Otto auf ihrem Wittum nach ihrem ausdrück¬ 
lichen Wunsche im Jahre 937 errichtet hatte. Ihr Denkmal sah 
man dort einst auf der Nordseite der alten Kirche; jetzt verherr¬ 
licht sie ein stattlicher Sarkophag in dem prachtvollen Dome, der 
dort einige Jahrhunderte nachher als eins der erhabensten Werke 
deutscher Kunst erbaut ist. 
133. Die Glocken zu Speyer. 
von rnax von Ger. 
1. 
1. Zu Speyer im letzten häuselein, 
da liegt ein Greis in Todespein; 
fein Kleid ist schlecht, sein Lager hart, 
viel Tränen rinnen in seinen Zart.
	        
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