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93. Alt⸗Heidelberg, du feine.
Von Joseph Viktor von Scheffel.
1. Alt⸗Hheidelberg, du feine,
du Stadt, an Ehren reich,
am Neckar und am Rheine
kein' andre kommt dir gleich.
2. Stadt fröhlicher Gesellen,
an Weisheit schwer und Wein;
klar zieh'n des Stromes Wellen,
Blauäuglein blitzen drein.
3. Und kommt aus lindem Süden
der Frühling übers Land,
so webt er dir aus Blüten
ein schimmernd Brautgewand.
4. Auch mir stehst du geschrieben
ins hHerz gleich einer Braut;
es klingt wie junges Lieben
dein Name mir so traut.
5. Und stechen mich die Dornen,
und wird mir's drauß zu kahl,
geb' ich dem Roß die Spornen
und reit' ins Neckartal.
94. Nürnberg.
Von Hermann Richter.
Kaum dürfte eine zweite Stadt Deutschlands einen so durchaus eigen—
tümlichen Eindruck auf den Reisenden machen wie Nürnberg, die ehe—
malige Reichsstadt. Von allen Seiten nimmt es sich stattlich aus, und sein
Umfang ist bedeutend. Es liegt in einer ebenen, sandigen, aber wohl
kultivierten Gegend, an beiden Seiten der Pegnitz, und doppelte Mauern,
Türme und Gräben umgeben seine Eingänge. Schnurgerade Straßen,
wie die meisten unserer größeren Städte zeigen, kennt Nürnberg nicht;
alle sind gekrümmt und winklig, aber altertümlich, von großen, viel—
stöckigen, mit gotischen Altanen verzierten Häusern gebildet, stattlich,
ehrwürdig, niemals kleinlich. Die Königs-, Ludwigs-, Karolinen- und
Burgstraße sind einige der vorzüglichsten; unter den Plätzen zeichnen sich
der große Marktplatz und der Maximiliansplatz aus. Sieben steinerne
Brücken verbinden die Ufer der Pegnitz innerhalb der Stadt, und unter
diesen befindet sich eine, die Fleischbrücke, welche den Fluß mit einem