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Baum, auf dem er dieselbige Nacht hat zubringen müssen, die graue
Tanne!“ —
Das ist die Geschichte, wie sie mir mein Vater eines Abends beim
Kornschöbern erzählt hat, und wie ich sie später aus meiner Erinnerung
niedergeschrieben. Als wir dann nach Hause gingen zur Abendsuppe
und zur Nachtruhe, blickte ich noch mehrere Male hin auf den Baum,
der hoch über dem Wald in den dunklen Abendhimmel hineinstand.
Von dieser Zeit ab fürchtete ich mich nicht mehr, wenn ich an der
grauen Tanne vorüberging. Und sie stand noch jahrelang da, zur
Winters- und Sommerszeit in gleicher Gestalt — ein wildverworrenes
Gerippe von Ästen, mit den wenigen dunkelgrünen Nadelballen auf
der Krone und dem scharfkantigen Strunk über derselben.
Ich war schon erwachsen, da war es in einer Herbstnacht, daß
mich mein Vater aufweckte und sagte: „Wenn du die graue Tanne willst
brennen sehen, so geh vor das Haus!“
Und als ich vor dem Hause stand, da sah ich über dem Walde eine
hohe Flamme lodern, und aus derselben qualmte finsterer Rauch in
den Sternenhimmel auf. Wir hörten das Dröhnen der Flammen,
und wir sahen das Niederstürzen einzelner Äste; dann gingen wir
wieder zu Bette. Am Morgen stand über dem Wald ein schwarzer
Strunk mit nur wenigen Armen — und hoch am Himmel kreiste ein
Geier.
Wir wußten nicht, wie sich in der stillen, heiteren Nacht der
Baum entzündete, und wir wissen es noch heute nicht. In der Gegend
ist vieles über dieses Ereignis gesprochen worden, und man hat dem—
selben Wunderliches und Bedeutsames zugrunde gelegt. Noch einige
Jahre starrte der schwarze Strunk gegen den Himmel, dann brach
er nach und nach zusammen, und nun stand nichts mehr empor über
dem Wald.
Auf dem Stocke und auf den letzten Resten des Baumes, die lang—
sam in die Erde sinken und vermodern, wächst das Moos.
45. Der arme Musikant und sein Kollege.
Von W. O. von Horn.
An einem schönen Sommertage war im Prater zu Wien ein
großes Volksfest. Der Prater ist eine sehr grobe, öffentliche Garten-
anlage voll herrlicher Bäume und ist der Hauptspaziergang und