Full text: Haus und Vaterland I (Bd. 4)

□ □□□□□□□□□□□□□□ 240 □□□□□□□□□□□□□□□ 
— und der Mann kann was?" — „Ich glaube, seine Schüler machen 
Fortschritte." — „Werde mich davon überzeugen — heute noch. Aber 
daß mir keine Nachricht nach Giesebrügge geschickt wird! Ich will den 
Wendroth überraschen und sehen, ob er auf dem Posten ist." 
Der König speiste nun mit sichtlichem Wohlbehagen weiter, die 
Fische schmeckten ihm prächtig, ebenso der Pudding; er nahm endlich 
auch ein Glas Wein. Als die Mahlzeit beendet war, erhob er sich, mit 
ihm die andern. In seiner einfachen Uniform sah er gar würdig aus, 
als er mit fester Stimme das Dankgebet sprach. Alle neigten sich. 
„Besten Dank für die Bewirtung!" sagte er dann freundlich, während 
die Rätin und die Töchter tief knicksten. „Es hat mir sehr gut ge¬ 
schmeckt. Nun an die Arbeit! Führt mich ins Kassen- und Ärbeits- 
lokal!" 
Happelius hatte schon die Beamten rufen lassen. In wenig Minu¬ 
ten lagen die Bücher, die Rechnungen und Kassenbestände bereit. Mit 
einer bewunderungswürdigen Genauigkeit wußte der König sich in 
der schwerfälligen Buchführung jener Zeit zurechtzufinden. Er kannte 
alle Preise, alle Gehälter der Beamten, wußte genau, aus welchen 
Kassen die Gelder flössen, und rechnete die wichtigsten Posten durch, 
indenl er mit dem Zeigefinger die Reihen entlang fuhr. Hierauf ließ 
er sich die baren Gelder vorlegen. „Alles gut — alles in Ordnung — 
sehr schön!" sagte er, Happelius auf die Schulter klopfend. „Hab's 
nicht anders erwartet! Das mag sein bestes Kompliment sein. Jetzt 
will ich weiter. Abends komme ich noch einmal zurück; da bitte ich mir 
kalteil Schinken, Salat und Eier ans — Gott befohlen!" 
Der Wagen wartete schon. Der eine der Offiziere nahm neben dem 
König Platz, der andere ihm gegenüber. Ohne weiteres Gefolge, nur 
ein Leibjäger saß neben dem Kutscher, ging es nach Giesebrügge. 
Die Schulprüfung. 
Giesebrügge ist ein Dorf in der Neumark, nicht weit von der Kreis¬ 
stadt Soldin. Meister Wendroth, der Küster und Schullehrer, hatte 
des Tages Last in der niedern Schulstube getragen. Der Abend war 
nahe. Die Schuljugend tummelte sich munter auf dem Platze vor der 
Kirche. Wendroth schritt, die Pfeife im Munde, die Gießkanne in der 
Rechten, von Beet zu Beet und begoß seine Blumen. Da stürzte auf 
einmal Frau Wendroth atemlos in den Garten. „Ach Gott, Mann," 
ächzte sie, „der König ist hier; er kommt eben mit dem Schulzen die 
Straße herauf." Wendroth riß eilig den Hausrock von den Schultern 
und stürmte, ohne zu wissen, wohin, durch den Garten ins Haus. Aber
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.