Full text: [Teil 1 = Kl. 8 u. 7] (Teil 1 = Kl. 8 u. 7)

waren, fingen an einzuschlafen und der ganze Hofstaat mit ihnen. Da 
schliefen auch die Pferde im Stalle, die Hunde im Hofe, die Tauben auf 
dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das auf dem Herde 
flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, 
und der Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, in 
den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind 
legte sich, und auf den Bäumen vor dem Schlosse regte sich kein 
Blättchen mehr. 
3. Warum die Königstochter Dornröschen genannt wurde. 
Rings um das Schloß aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, 
die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloß umzog und 
darüber hinaus wuchs, daß gar nichts mehr davon Zu sehen war, selbst 
nicht die Fahne auf dem Dache. Es ging aber die Sage in dem Lande 
von dem schönen schlafenden Dornröschen •—- denn so ward die Königs¬ 
tochter genannt — also, daß von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und 
durch die Hecke in das Schloß dringen wollten. Es war ihnen aber 
nicht möglich; denn die Dornen, als hätten sie Hände, hielten fest 
zusammen, und die Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht 
wieder los machen und starben eines jämmerlichen Todes. Nach langen, 
langen Jahren kam wieder einmal ein Königssohn in das Land und hörte, 
wie ein alter Mann von der Dornenhecke erzählte; es sollte ein Schloß 
dahinter stehen, in dem eine wunderschöne Königstochter, Dornröschen 
genannt, schon seit hundert Jahren schliefe, und mit ihr schliefe der König 
und die Königin und der ganze Hofstaat. Er wußte auch von seinem 
Großvater, daß schon viele Königssöhne gekommen wären und versucht 
hätten, durch die Dornenhecke zu dringen; aber sie wären darin hängen 
geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Jüngling: 
„Ich fürchte mich nicht, ich will hinaus und das schöne Dornröschen 
sehen!" Der gute Alte mochte ihm abraten, wie er wollte, er hörte nicht 
auf seine Worte. 
4. Wie Dornröschen wieder erwachte. 
Nun waren aber gerade die hundert Jahre verflossen, und der Tag 
war gekommen, wo Dornröschen wieder erwachen sollte. Als der Königs¬ 
sohn sich der Dornenhecke näherte, waren es lauter schöne, große Blumen, 
die taten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbeschädigt hindurch, 
und hinter ihm taten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Im 
Schloßhof sah er die Pferde und scheckigen Jagdhunde liegen und schlafen, 
auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Köpfchen unter die 
Flügel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der 
5 
10 
15 
20 
25 
30 
35
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.