Full text: [Teil 1 = Kl. 8 u. 7] (Teil 1 = Kl. 8 u. 7)

Brunnen brächte, der sollte Sieger sein. Nun bekam der Läufer einen 
Krug und die Königstochter auch einen, und sie fingen zu gleicher Zeit 
zu laufen an: aber in einem Augenblick, als die Königstochter erst eine 
kleine Strecke fort war, konnte den Läufer schon kein Zuschauer mehr 
sehen, und es war nicht anders, als wäre der Wind vorbeigesaust. In 
kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an, schöpfte den Krug voll Wasser 
und kehrte wieder um. 
Mitten aber auf dem Heimweg überkam ihn eine Müdigkeit, da 
fetzte er den Krug hin, legte sich nieder und schlief ein. Er hatte aber 
einen Pferdeschädel, der da auf der Erde lag, zum Kopfkissen gemacht, 
damit er hart lüge und bald wieder erwachte. Indessen war die Königs¬ 
tochter, die auch gut laufen konnte, so gut es ein gewöhnlicher Mensch 
vermag, bei dem Brunnen angelangt und eilte mit ihrem Kruge voll 
Wasser zurück, und als sie den Läufer da liegen und schlafen sah, war 
sie froh und sprach: „Der Feind ist in meine Hände gegeben," leerte 
feinen Krug aus und sprang weiter. Nun wäre alles verloren gewesen, 
wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben 
auf dem Schlosse gestanden und alles mitangesehen hätte. Da sprach er: 
„Die Königstochter soll doch gegen uns nicht aufkommen," lud seine Büchse 
und schoß so geschickt, daß er dem Läufer den Pferdeschädel unter dem Kopfe 
wegschoß, ohne ihm wehe zu tun. Da erwachte der Läufer, sprang in 
die Höhe und sah, daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit 
voraus war. Aber er verlor den Mut nicht, lief mit dem Kruge wieder 
zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser und war noch zehn 
Minuten eher als die Königstochter daheim. „Seht ihr," sprach er, „jetzt 
hab' ich erst die Beine aufgehoben, vorher war's gar kein Laufen zu nennen'" 
3. Wie der König die Scchsc im Feuer ersticken wollte. 
Den König aber kränkte es und feine Tochter noch mehr, daß sie so 
ein gemeiner abgedankter Soldat davontragen sollte, sie ratschlagten mit¬ 
einander, wie sie ihn samt seinen Gesellen los würden. Da sprach der 
König zu ihr: „Ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bange fein, 
sie sollen nicht wieder heimkommen." Und sprach zu ihnen: „Ihr sollt 
euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken," und führte sie zu 
einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen, und die Türen waren 
auch von Eisen, und die Fenster waren mit eisernen Stäben verwahrt. 
In der Stube war eine Tafel mit köstlichen Speisen besetzt. Da sprach der 
König zu ihnen: „Geht hinein und laßt's euch wohl sein!" Und wie sie 
darinnen waren, ließ er die Tür verschließen und verriegeln. Dann 
ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer so lange unter die 
Stube zu machen, bis das Eisen glühend wurde. Das tat der Koch, 
und es fing an und ward den Sechsen in der Stube, während sie an der 
Lasel saßen, ganz warm, und sie meinten, das käme vom Essen; als 
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