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7. Zum Jahresschlüsse.
Marc. 7, 37. Er hat alles wohl gemacht.
1. Auf dunklen Schwingen senkt sich wieder
so ahnungsvoll, so tröstlichmild,
des Jahres letzter Abend nieder
zum winterlichen Schneegefild.
Der Abendglocken fromm Geläute
tönt hehren Klanges durch die Nacht
und predigt, wenn icli’s recht mir deute:
„Der Herr hat alles wohl gemacht'/
2. Verrauscht ist nun der bunte Reigen^
des Jahreslaufs mit Lust und Leid;
doch Gottes ew’ge Sterne steigen
so tröstlich aus der Dunkelheit,
und freundlich winkt aus blauen Höhen
der Abendstern in milder Pracht;
ob Jahre kommen, Jahre gehen:
„Der Herr hat alles wohl gemacht!“
3. Habt Dank — wie seid ihr schnell entschwunden,
ihr Freuden, die das Jahr mir bot!
Fahr' hin — nun bist du überwunden,
all’ dieses Jahres Müh’ und Not!
Schlaft wohl, ihr abgeschiednen Lieben!
Ob einmal noch der Schmerz erwacht,
mir ist ein süsser Trost geblieben:
„Der Herr hat alles wohl gemacht!“
4. Und'wenn auch ich in dumpfer Bahre
itzt bei den andern draussen schlief,
und wenn mich noch im alten Jahre
zur Rechnung Gottes Engel rief;
Herr, deck’ auf meiner Jahre Sünden
den Mantel dieser dunklen Nacht,
dann darf ich’s erst getrost verkünden:
„Der Herr hat alles wohl gemacht!“
5. Nun sammelt sich im Kreis der Zecher
die Welt zum rauschenden Gelag
und übertäubt im Klang der Becher
der Mitternacht gewicht’gen Schlag;
Ernst und Lews, Lesebuch f. M. III.
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