362
Baumes und wähnten sich hier sicher; doch er eilt auch dorthin,
und sie werden hier seine Beute.
Alle Teile des Spechtes sind auf seine Lebensart berechnet.
Seine Zunge ist lang und dünn, und er vermag sie sehr weit
aus dem Schnabel vorzustrecken. Sie ist nicht wie andere Zungen
fleischig und weich, sondern hart und spitz, so scharf wie eine
Nadel. Dazu ist sie wie ein Pfeil mit vielen feinen Widerhaken
versehen. Mit dieser sonderbaren Waffe sticht er blitzschnell in
die kleinen Wurmlöcher, spielst die Käferlarven an, zieht sie
heraus und verzehrt sie mit grossem Wohlbehagen. Im Winter
fehlt ihm freilich diese Fleischnahrung, und er muss sich nach
anderer Kost umsehen. Dann sucht er Nüsse von Buchen und
Haseln oder fasst mit den Füssen die Tannenzapfen und pickt
die Samenkörnchen heraus.
Viele von den Löchern, welche der Specht bei seinem
Würmersuchen in die Bäume haut, kommen andern, kleinern
Vögeln sehr erwünscht, um sie als Wohnung zu benutzen. Meisen,
Stare und Spechtmeisen bauen in dieselben ihre Nester, und der
letztgenannte Vogel klebt mit Lehm so viel von der grossen
Öffnung zu, dass nur eben noch Platz genug übrigbleibt, um
selbst durchzukommen. So ist der Specht recht eigentlich der
Zimmermann der Vögel, der ihnen Häuser baut. Doch vergisst
er auch nicht, für sich selbst zu sorgen. Im Frühjahre sucht er
in Gemeinschaft mit seinem Weibchen einen geeigneten Baum
und hackt in ihn ein tiefes Loch, wohl zwei Spannen lang, schräg
in den Baum, erweitert es dann innen und glättet ganz sauber
die Wände des sichern Gemaches. Vorsichtig trägt er alle Späne
ein gutes Stück von dem Baume weg, damit kein böser Knabe
es an ihnen merken soll, dass er hier seine Eier und seine
Jungen habe. Auf die feinen Holzspäne oder das Wurmmehl
legt das Weibchen schöne weifse Eier und brütet die Jungen
aus. Eifrigst fliegen die beiden Alten dann herum und bringen
unermüdlich Futter für die Kleinen.
Nun — erzählt ein altes Märchen — muss derjenige, der
reich werden will, ans Spechtnest gehen und, sobald der alte
Specht nach Nahrung ausgeflogen, einen Holzkeil in die Öffnung
schlagen. Wenn der Specht zurückkehrt und sein Nest ver¬
schlossen findet, fliegt er — so sagt das Märchen — eiligst fort
und sucht die Springwurzel, hält sie an den Nesteingang, und