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und im Stall und hielt überall gute Ordnung. Heini stand unter der
Stalltür und schaute der Großmutter zu. Als das Melken beendigt
war, trat sie ins Häuschen ein und sagte: „Komm, Heini, du wirst
Hunger haben."
Sie hatte auch schon alles hergerichtet, Heini konnte nur zu Tisch
sitzen. Sie setzte sich neben ihn; und stand auch nichts auf dem Tisch
als die Schüssel voll Maisbrei, mit der Milch der Braunen gekocht, so
ließ sich's Heini doch herrlich schmecken. Dabei erzählte er der Gro߬
mutter, was er den Tag durch erlebt hatte, und sobald er sein Mahl
beendigt, zog er sich auf sein Lager zurück, denn in der ersten Frühe
mußte er ja wieder mit der Herde ausziehen.
In dieser Weise hatte Heini schon zwei Sommer verbracht. So
lange schon war er Geißbub und jetzt so an dieses Leben gewöhnt und
mit seinen Tierchen zusammengewachsen, daß er sich's gar nicht anders
denken konnte. Mit seiner Großmutter lebte er zusammen, solange er
sich besinnen konnte. Seine Eltern waren gestorben, als er noch ganz
klein war.
Da nahm die Großmutter aus der Stelle das verlassene Büblein,
den kleinen Heini, zu sich und teilte nüt ihm, was sie hatte. Es lag
auch ein Segen auf ihrem Häuschen, und noch nie hatte sie Mangel
leiden müssen.
Die brave, alte Elsbeth war auch im ganzen Dorfe von jedermann
wohl gelitten. Und als ein anderer Geißbub ernannt werden mußte, da
sielen alle Stimmen einmütig aus den Heini; denn jeder mochte es der
arbeitsamen Elsbeth gönnen, daß nun Heini auch etwas verdienen
konnte. Die fromme Großmutter hatte den Knaben keinen Morgen aus¬
ziehen lassen, ohne daß sie ihn erinnerte: „Heini, vergiß nicht, wie nah
du dort oben dem lieben Gott bist, und daß er alles sieht und hört
und du vor seinen Augen nichts verbergen kannst. Aber vergiß auch
nicht, daß er nah ist, dir zu helfen. Darum hast du dich nie zu
fürchten, und wenn du dort oben keine Menschen errufen kannst, rufe
du nur zum lieben Gott in der Not, er hört dich gleich und kommt dir
zu Hilfe."
So zog der Knabe von Anfang an voller Zuversicht aus die ein¬
samen Höhen und die höchsten Felsen und hatte nie die leiseste Furcht
noch Schrecken. Er hatte weder Sorge noch Kummer und konnte sich
freuen an allem, was er erlebte vom Morgen bis zum Abend, und es
war kein Wunder, daß er beständig pfiff und sang und jodelte, denn er
mußte seiner großen Fröhlichkeit Luft machen.
Johanna Spyri (Kurze Geschichten für Kinder).