Full text: Haus und Vaterland II (Bd. 5 (6. Schulj.))

Rückwärtskriechen ist nun für ihn gelegentlich eine Notwendigkeit, z. B. 
wenn ihm ein Feind entgegenkommt; denn umwenden kann er sich in dem 
engen Raum nicht, wenn er Reißaus nehmen will. Die Beschaffenheit des 
Pelzes erlaubt aber dem schwarzen Gesellen, sich vorwärts und rückwärts 
mit gleicher Leichtigkeit und Schnelligkeit durch seine Gänge zu bewegen. 
Und was für vortreffliche Vorderpfoten der Maulwurf hat — wie breit, 
wie stark und mit was für großen, kräftigen Nägeln sie versehen sind! 
Sie sind zum Teil Hacken, zum Teil Schaufeln: sie lösen die Erde ab, 
schaffen sie nach hinten und in Gestalt von „Maulwurfshügeln" zum 
Baue hinaus, und alles das mit großer Schnelligkeit. Die Geschwindig¬ 
keit, mit der ein solcher Insektenfresser zu graben versteht, ist wirklich 
wunderbar. Ich habe dreimal bis jetzt Maulwürfe außerhalb ihrer Be¬ 
hausung auf dem Boden herumlaufen sehen. In allen drei Fällen war 
ich etwa zehn Meter von ihnen entfernt, und jedesmal lief ich rasch auf 
sie zu, aber stets war das kleine Geschöpf in den Boden verschwunden, 
bevor ich es erreichen konnte. Man konnte nicht sehen, daß sie gruben, 
sie schienen einfach in den Boden zu versinken, als ob er aus Wasser 
bestände. 
Die Vorderpfoten des Maulwurfs sind weiter mit sehr harter, schwie¬ 
liger Haut bekleidet, ohne die das Tier fortwährend Gefahr liefe, sich bei 
seinen mit großer Kraft betriebenen Arbeiten an scharfen Steinen zu ver¬ 
letzen. Ferner sind seine Augen und seine Ohrlöcher völlig unter dem 
Pelze versteckt, so daß Erdkrümel nicht in sie hineinfallen können. 
Vielleicht ist keine andere Säugetierart im Verhältnis zu ihrer Größe 
so kräftig wie der Maulwurf. Seine Muskeln und Sehnen sind so 
hart, daß die Schneide eines Messers, mit dem man sie zu zerschneiden 
beabsichtigt, sich auf ihnen umlegt. Wenn man dieses Tier so groß wie 
einen Löwen oder Tiger machen konnte und seine Kraft nähme in dem 
gleichen Verhältnisse zu, es würde ein weit stärkeres Geschöpf als eine 
von diesen beiden großen Katzenarten sein. 
Der Maulwurf lebt zum größeren Teil von Regenwürmern, zum 
kleineren von wurzelsressenden Käferlarven, wie von Drahtwürmern usw. 
Seine Gefräßigkeit ist, wie wir schon bemerkten, ungeheuer, und erfahrene 
Maulwursssänger behaupten, wenn ein solches Tier drei Stunden habe 
fasten müssen, so käme es in Gefahr zu verhungern. Unter solchen Um¬ 
ständen muß es hart arbeiten für die Kost und bedarf bedeutender 
Kräfte. Man darf nicht glauben, daß man wohltut, einen Maul¬ 
wurf der Liebhaberei wegen zu seinem Pflegling zu machen; denn man 
könnte dann wohl fast das ganze Jahr damit zubringen, für ihn nach 
Regenwürmern zu graben, um so mehr, als er im Winter nicht in Schlaf 
Ernst, Deutsches Lesebuch für Mädchenschulen. 0 V. 10
	        
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