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zwei Gewehrschüsse alles in eine furchtbare Aufregung brachten. Niemals
ist ermittelt worden, wer diese Schüsse abgefeuert oder den Befehl dazu
gegeben hat. Aber sofort schrie das Volk: „Wir sind verraten! zu den
Waffen!" Und wie ein Lauffeuer durchflog diese Losung die ganze Stadt.
Wühler hetzten das Volk auf, und selbst besonnene Seilte glaubten, die
Soldaten hatten unter fried¬
lichen Bürgern ein Blutbad
angerichtet. Binnen zwei
Stunden waren die Straßen
der Stadt durch 200 Barri¬
kaden versperrt, Steine zum
Werfen auf den Dächern an¬
gehäuft und alle Fenster mit
Bewaffneten besetzt. Aus des
Königs Befehl griff das Mi¬
litär nachdrücklich an, um
Ruhe und Ordnung herzu¬
stellen. Bis in die Nacht
währte ein blutiger Kampf
in den Straßen, und als
der Morgen des 19. März
anbrach, waren die Soldaten Friedrich Wilhelm iv,
überall Sieger. Am Morgen
forderte der König seine lieben Berliner auf, die Waffen niederzulegen;
aber sein Erlaß wurde an vielen Orten verhöhnt. Dagegen versprachen
ihm viele angesehene Bürger, für Ruhe zu sorgen, wenn er das Militär
zurückzöge. Um dem Vergießen von Bürgerblut Einhalt zu thun, befahl
der König, daß die Truppen die Stadt verließen.
Viel Unruhe und Unfug folgten in der nächsten Zeit in Berlin und
an anderen Orten. Im Mai kamen in Berlin und in Frankfurt am
Main die beiden Versammlungen der Abgeordneten von Preußen und
von ganz Deutschland zusammen, die der König versprochen hatte. Die
Nationalversammlung in Frankfurt machte eine Verfassung für das deutsche
Reich und wählte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser
dieses Reiches. Aber der König nahm die ihm angebotene Kaiserkrone
nicht an. Er sagte, daß das Volk allein über die Krone nicht zu verfügen
hätte. Nur mit dem freien Einverständnis aller Fürsten Deutschlands
wollte er sie tragen. Dieses aber war, wenn auch viele Fürsten ein¬
willigten, nicht zu erreichen; Österreich und mehrere gerade von den
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