147 
zwei Gewehrschüsse alles in eine furchtbare Aufregung brachten. Niemals 
ist ermittelt worden, wer diese Schüsse abgefeuert oder den Befehl dazu 
gegeben hat. Aber sofort schrie das Volk: „Wir sind verraten! zu den 
Waffen!" Und wie ein Lauffeuer durchflog diese Losung die ganze Stadt. 
Wühler hetzten das Volk auf, und selbst besonnene Seilte glaubten, die 
Soldaten hatten unter fried¬ 
lichen Bürgern ein Blutbad 
angerichtet. Binnen zwei 
Stunden waren die Straßen 
der Stadt durch 200 Barri¬ 
kaden versperrt, Steine zum 
Werfen auf den Dächern an¬ 
gehäuft und alle Fenster mit 
Bewaffneten besetzt. Aus des 
Königs Befehl griff das Mi¬ 
litär nachdrücklich an, um 
Ruhe und Ordnung herzu¬ 
stellen. Bis in die Nacht 
währte ein blutiger Kampf 
in den Straßen, und als 
der Morgen des 19. März 
anbrach, waren die Soldaten Friedrich Wilhelm iv, 
überall Sieger. Am Morgen 
forderte der König seine lieben Berliner auf, die Waffen niederzulegen; 
aber sein Erlaß wurde an vielen Orten verhöhnt. Dagegen versprachen 
ihm viele angesehene Bürger, für Ruhe zu sorgen, wenn er das Militär 
zurückzöge. Um dem Vergießen von Bürgerblut Einhalt zu thun, befahl 
der König, daß die Truppen die Stadt verließen. 
Viel Unruhe und Unfug folgten in der nächsten Zeit in Berlin und 
an anderen Orten. Im Mai kamen in Berlin und in Frankfurt am 
Main die beiden Versammlungen der Abgeordneten von Preußen und 
von ganz Deutschland zusammen, die der König versprochen hatte. Die 
Nationalversammlung in Frankfurt machte eine Verfassung für das deutsche 
Reich und wählte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser 
dieses Reiches. Aber der König nahm die ihm angebotene Kaiserkrone 
nicht an. Er sagte, daß das Volk allein über die Krone nicht zu verfügen 
hätte. Nur mit dem freien Einverständnis aller Fürsten Deutschlands 
wollte er sie tragen. Dieses aber war, wenn auch viele Fürsten ein¬ 
willigten, nicht zu erreichen; Österreich und mehrere gerade von den 
10
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.