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paar Groschen aufhiebe, um auf den Abend etliche Lichter zu kaufen,
damit die Kinder nicht im Finstern sitzen dürften, und kam nicht
eher dazu, als bis es dunkel geworden war. Und dennoch konnte
Francke auf die Frage: „Habt ihr auch je Mangel gehabt?“ in Wahr¬
heit antworten wie die Jünger: „Herr, nie keinen.“
Zur Zeit seines Todes (1727) waren im Waisenhause 134 Waisen¬
kinder unter 10 Aufsehern, 2207 Kinder und Jünglinge, die in den
verschiedenen Schulen von 175 Lehrern unentgeltlich unterrichtet
wurden. 150 Schüler und 255 arme Studenten wurden aus der
Kasse des Waisenhauses täglich gespeist. Aus dem Verkauf einer
Predigt Franckes „Von der Pflicht gegen die Armen“ erwuchs nach
und nach eine bedeutende Buchhandlung samt Buchdruckerei; eine
Anweisung zur Bereitung eines sehr wirksamen Heilmittels, die ein
Sterbender Branchen übergab, legte den Grund zu einer grossen Apo¬
theke, die auch dem Waisenhause wieder viel einbrachte.
Der Segen, welcher von dem Hallischen Waisenhause ausging,
erstreckte sich nicht bloss auf diejenigen Kinder und Jünglinge, welche
in seiner unmittelbaren Pflege standen; es übte überhaupt einen be¬
deutenden Einfluss auf Verbesserung des Schul- und Erziehungswesens
bei Armen und Beichen in der Nähe und Ferne aus. Auch wurde
hei demselben die erste Bibel- und die erste Missionsanstalt in der
evangelischen Kirche Deutschlands ins Leben gerufen. Aus der Bibel¬
anstalt des Hallischen Waisenhauses, die sich die Verbreitung wohl¬
feiler Bibeln unter den Armen zum Ziel setzte, sind bis jetzt allein
vier Millionen hervorgegangen. Aus dem Hallischen Waisenhause
wurde der Erstling unter den evangelischen Missionaren, Bartholomäus
Ziegenbalg, im Jahre 1706 zu den Heiden gesandt.
27. Freundschaft.
(Dach.)
Der Mensch Hat nichts so eigen,
so wohl steht ihm nichts an,
als daß er Treu' erzeigen
und Freundschaft halten kann;
wann er mit seinesgleichen
soll treten in ein Band,
verspricht sich, nicht zu weichen,
mit Herzen, Mund und Hand.
Die Red' ist uns gegeben,
damit wir nicht allein
sür uns nur sollen leben
und fern von Leuten sein;
>vir sollen uns befragen
und sehn auf guten Rat,
das Leid einander klagen,
so uns betreten hat.