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Traurig aber stand der edle Markgraf Rüdiger da. Wohl wäre
es seine Pflicht gewesen, da er in Etzels Diensten stand, gegen die
Bnrgunden zu kämpfen, allein sie waren feine Gastfreunde geworden;
nun sollte er gegen sie streiten. Der Gedanke schnitt ihm in die Seele.
Er wünschte lieber tot zu sein. Aber der König und Kriemhild hörten
nicht auf, ihn an seine Pflicht zu mahnen. Da rief er: „Nun, so will
ich heute mit meinem Leben vergelten, was ihr mir Liebes getan habt.
Ich weiß, daß ich sterben werde, so befehle ich eurer Gnade mein
Weib und mein Kind und alle, die heute in Bechlaren den Gatten und
den Vater verlieren werden!" Als die Bnrgunden ihn so kampfbereit
heranschreiten sahen, meinten sie anfangs, er käme, um ihnen zu helfen.
Bald aber merkten sie seine wahre Absicht. Vergebens beschworen ihn
Gunter, Gernot und Giselher, doch nicht gegen sie zu kämpfen. Ach,
wie gern Hütte er es gelassen! Aber die Pflicht gegen seinen König
gebot ihm den Kampf. „Gott im Himmel sei uns gnädig," rief er,
ergriff seinen Schild und schickte sich zum Kampfe an. Da sagte Hagen:
„Sieh, hier stehe ich ohne Schild; denn den mir Gotelinde, dein Weib,
gab, haben mir die Hunnen zerhauen; hätte ich einen, wie du ihn in
der Hand hältst, nimmer wollte ich dich fürchten." Da reichte ihm der
edle Markgraf seinen eigenen Schild. Darüber wurden manchem harten
Manne die Augen naß; selbst Hagen, wie grimmig er auch sonst war,
ward davon so gerührt, daß er gelobte, nicht gegen Rüdiger zu streiten.
Ein gleiches gelobte Volker, der kühne Spielmann. So weh es dem
Markgrafen auch war, er mußte den Streit beginnen. Da erhob sich
wieder das wilde Morden. Furchtbar erdröhnten die Schwerthiebe; die
Schilde zersprangen; die Schildsteine rieselten in das Blut hernieder;
viele der Bnrgunden sanken unter Rüdigers Schwertstreichen zu Boden.
Hagen, Volker und auch Giselher wichen ihm selbst zwar aus, aber
unter seinen Rittern richteten sie eine schreckliche Niederlage an. Als
aber die Reihen der Bnrgunden sich ebenfalls immer mehr lichteten, rief
endlich Gernot: „Rüdiger, nicht länger ertrag ich's mehr, daß du niemand
von den unsern am Leben lassen willst; ich will dich im Streite bestehen."
Da rannten die beiden Helden aufeinander los. Rüdiger versetzte dem
Gegner einen so kräftigen Hieb durch den steinharten Helm, daß das
Blut niederschoß; aber so wund er war, Gernot erwiderte den Schlag,
sein Schwert durchdrang die Bänder von Rüdigers Helm, und beide
Helden sanken in den Tod. Ergrimmt über Gernots Tod erschlugen
die Bnrgunden nun auch sämtliche Mannen Rüdigers. Etzel aber und