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und blitzten heut wie immer. Auf dem kleinen, mit einem bunten
Tuch belegten Tisch zwischen den beiden Lehnstühlen an der
Fensterwand harrte ein blauer Steinkrug seines Blumenschmucks,
und über die längliche Truhe, die zugleich als Sitzbank neben dem
Ofen diente, war eine weiche, dunkelfarbige Decke gebreitet. Zum
Morgenimbiß gab es Sonntags im „Goldenen Ei" feineres Brot,
Wecksemmeln und Schönroggen 0, und man blieb länger und
ruhiger dabei sitzen. Jeder mußte dazu im Feiertagskleid erscheinen,
und lauten Scherz und weltliche Kurzweil litt des Meisters frommer
Sinn dabei nicht; dazu war nach der Kirche den ganzen übrigen
Tag noch Zeit genug. Die Hausgenossen bewegten sich langsamer
und gemessener, traten sachter auf, rückten die Stühle leiser und
benahmen sich gegeneinander rücksichtsvoller als sonst, wo man
sich in der kurzen Ruhe zwischen der Arbeit nicht mit Förmlichkeiten
abgab. Bloße Förmlichkeiten waren es aber auch heute nicht; es
lag in diesem maßvollen Wesen nichts Gemachtes, sondern es war
echte Sonnlagsstimmung, die sich unwillkürlich den Gemütern
aufprägte als eine würdige Vorbereitung für den Gottesdienst.
Die Häuser selbst hatten ein ungewöhnliches Aussehen in dieser
Sonntagsruhe; denn wenn sie auch nicht wie ihre Bewohner andre
Kleider anziehen konnten, so standen sie doch, Giebel neben Giebel,
still und ernst in den engen, krummen Gassen, und kein Arbeits¬
geräusch drang aus ihren feiernden Dielen. Die Schlagfenster
der Kramläden und Werkstätten waren geschlossen, ebenso die
Fleischschrangen"), die Brotbänke und die Kisten der Wandschneider 3);
denn Sonntags durfte nichts verkauft werden, es sei denn, daß mau
das erste oder das letzte Gewand für ein armes Menschenkind zu
seinem Eingang ins Leben oder zu seinem Ausgang daraus nötig
hatte, eine Windel oder ein Totenhemd. Das sechstürmige Rathaus
lag in einer unnahbaren Würde breit und mächtig da; es brauchte
ja heut nicht zu regieren. Die Treppen ruhten sich aus von den
gewichtigen Schritten der Gestrengen und Hochgewaltigen, und die
Stuben waren gelüftet von all den weisen Gedanken und dumpfen
Sorgen, die sonst darin brüteten und schwelten.
Die Glocken läuteten zur Kirche, und die Gläubigen folgten
dem Ruf. Ernste Männer, Ratsherren, Sülfmeister und Handwerker,
in pelzverbrämten Schauben oder in geschonten Leibröcken aus
dunklem Tuch, schritten langsam und bedächtig dahin. Geschmückte
*) Brot aus feinem Roggenmehl. — 2) Die Verkaufsstände für Fleisch. — 3) Der
Wand- oder Gewandschneider, der das Tuch anfertigt und verkauft.
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