Full text: [Teil 3, [Schülerbd.]] (Teil 3, [Schülerbd.])

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es sei jetzt Gottes Weg so. In der Nacht aber siel ihr die Tasse ein 
mit dem Zettel darunter, und als die Leute morgens Abschied nahmen, 
drückte sie der blassen Frau noch ein Geldstück in die Hand, gab ihr 
den vergilbten Zettel mit und sagte: „Vielleicht lebt er noch, und dann 
richtet ihm einen schönen Gruß aus von dem Ochsenwirtstöchterlein." 
Die blasse Frau dankte und zog still ihren Weg. 
Jahre gingen wieder hin und her, und nicht bloß der Holländer, 
auch die blasse junge Frau war vergessen, und das Ochsenwirtstöchter¬ 
lein war schon zur Base, und dieweil sie ledig blieb, zur Familienbase 
geworden, die überall mit Rat und Tat beispringen mußte. Da hielt 
— es mochten zwanzig Jahre darüber hingegangen sein — des Abends 
eine schöne Kutsche am „Ochsen", und eine Frau im schwarzen Kleide 
mit ein paar saubern Mädchen stieg heraus. Sie fragte, ob die Tochter 
des Hauses noch lebe, und als man's bejahte, trat sie auf sie zu und 
küßte sie. Die Base wußte nicht, wo sie das hinschreiben sollte, denn 
das war ihr noch nicht von einer fremden Frau geschehen. Da erzählte 
denn die schwarze Frau, die schier wie eine Dame aussah: „Euch habe 
ich nächst Gott das Leben und mein Glück zu danken. Euer Rat war 
gut, still zu halten. Denn ich bin die Steinschleifersfrau, wenn Ihr 
Euch noch erinnern könnt, der Ihr den Gruß mitgegeben habt nach 
Amsterdam. Gott lohne es Euch!" Die Base staunte. Aber die Frau 
fuhr fort: „Zuerst ging's uns gut in dem fremden Land, und wir 
hatten's vollauf. Aber dann ward mein Mann an den Augen krank 
von dem scharfen Sehen und Arbeiten, und der Verdienst hörte auf. 
Wir haben gedoktert und zugesetzt, ein Stück Möbel nach dem andern. 
Zuletzt sind wir in einen elenden Keller gezogen. Da ging erst die 
rechte Not an. Endlich hatten wir nichts mehr zu essen, und der Jammer 
der Kinder war nicht mehr zum Anhören. Da bin ich einmal am 
Koffer niedergekniet und habe in der höchsten Not zu Gott um Hilfe 
geschrien, und da kommt mir der Zettel mitten im Gebet in den Sinn. 
Ich habe gezittert an den Händen, als ich suchte; denn ich meinte, er 
wäre verloren in den langen Jahren. Aber er fand sich noch. — Da 
bin ich denn hingegangen, der Herr — ein alter Herr — lebte noch. 
Die Bedienten wollten mich mit einer Gabe abfertigen; aber ich bat 
und bettelte, bis sie mich hereinließen. Und der alte Herr nahm den 
Zettel und las lange dran und verglich ein anderes Buch; dann gab er 
mir einen Stuhl und fragte mich, was ich wolle. Da ist mir das Herz 
bald gebrochen vor Weinen, so daß er mich erst einmal ausweinen lassen 
mußte. Da hab' ich ihm denn alle Not von Anfang an erzählt, und 
dann hat er mich gehen lassen und gesagt, er wolle mir helfen. Am 
folgenden Tage stand seine Equipage vor dem Keller; er nahm meinen 
kranken Mann mit und brachte ihn ins Krankenhans und uns in ein 
Kippenberg.0 3. 2
	        
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