Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

Johann Christoph Friedrich Schiller. 
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in der geräuschvollen Gesellschaft Höllischer und Jenenser Studenten befinden: sein 
kindlicher Frohsinn, seine bald humorerfüllte, bald gedankentiefe Rede, fein gerades, 
offenes Wesen nahmen jeden gefangen, der sich ihm nahte. Nur der eitlen Zu¬ 
dringlichkeit gegenüber verhielt er sich kalt und abweisend. — Am glücklichsten 
fühlte er sich in seiner Familie, die sich im Laufe der Jahre um einen Sohn und 
zwei Töchter vergrößert hatte. Mit den Kindern zu scherzen und zu spielen, war 
ihm die liebste Erholung, und die Kleinen wiederum hingen an ihrem Vater mit 
der innigsten Zärtlichkeit. - Im Winter von 1804 auf 1805 wurden Goethe und 
Schiller beide von heftiger Krankheit heimgesucht. Sie fanden unter anderen, die 
ihnen nahe standen, einen treuen Pfleger an Heinrich Doß, dem Sohne des Dichters, 
der eine Zeitlang abwechselnd bei den Kranken Nachtwache hielt. Er und Charlotte 
haben an Schillers Bett manche Stunde voll Angst und zagender Hoffnung zugebracht. 
Gegen das Frühjahr zeigte sich ein letztes Aufflackern der Lebenskraft. Schillers 
erster Besuch galt Goethe, der noch das Zimmer hüten mutzte. Votz berichtet 
darüber: „Sie umarmten sich stumm mit langem, herzlichem Kusse und knüpften 
dann schnell ein heiteres Gespräch an, ohne ihrer Krankheit zu erwähnen, beide 
froh, wieder vereint zu sein." - Mit unverminderter, ja gesteigerter Tatkraft 
wandte sich Schiller der Arbeit am „Demetrius" zu; aber bald warf ihn die 
Krankheit aufs letzte Lager. Die Kräfte schwanden unter beständigen Fieberanfällen 
dahin. Er betete zu Gott um ein rasches Ende. Am Abend des 8. Mai ant¬ 
wortete er auf die Frage, wie es gehe, mit den Worten: „Immer besser, immer 
klarer." Dann ließ er noch den Vorhang öffnen und grüßte zum letztenmal die 
Sonne. Am 9. Mai nachmittags entschlief er. Der letzte Blick voll Liebe und 
Dank galt seiner Charlotte. 
Ein tiefer Schmerz durchzuckte das deutsche Volk bei der Kunde: „Schiller 
ist tot!" Die ihm persönlich nahe gestanden hatten, betrauerten in ihm nicht nur 
den großen Mann, sondern noch mehr den guten. „Das war ein rechter Mensch, 
und so sollte man auch sein," hat Goethe später von ihm gesagt. Damals aber 
trauerte er, von Schmerz überwältigt, in stillem Kummer um den Heimgegangenen: 
er fand weder Worte des Beileids noch des Trostes. Erst einige Monate später gab er 
seinem und des ganzen Volkes Schmerz in dem „Epilog" zur „Glocke" Ausdruck. 
1. Hektors Abschied. 
1780. 
Andromache. 
Will sich Hektor ewig von mir wenden, 
wo Achill mit den unnahbarn Händen 
dem Patroklus schrecklich Opfer bringt? 
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren 
Speere werfen und die Götter ehren, 
wenn der finstre Orkus dich verschlingt? 
Hektor. 
Teures Weib, gebiete deinen Tränen! 
Nach derFeldschlacht ist mein feurigSehnen, 
diese Arme schützen Pergamus. 
Kämpfend für den heil'gen Herd der Götter, 
fall' ich, und, des Vaterlandes Retter, 
steig' ich nieder zu dem styg'schen Flusi.
	        
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