Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

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Heinrich von Kleist. 
1776- 1811. 
®r wurde als Sohn eines preußischen Offiziers zu Frankfurt a. O. geboren, 
trat in Potsdam als Fähnrich bei der Garde ein, studierte aber später in seiner 
Heimatstadt Mathematik und Philosophie. Er hat sich nie entschließen können, einen 
festen Beruf zu ergreifen. Als Dichter hat er sich im Drama („Der zerbrochene Krug", 
„Das Käthchen von Heilbronn", „Der Prinz von Homburg") und der Erzählung 
(„Miachel Kohlhaas") ausgezeichnet. Tief kränkte es ihn, daß Goethe seine Dichtungen 
ungünstig beurteilte. Der Schmerz über die Not des Vaterlandes umdüsterte sein Gemüt 
mehr und mehr. Am Ufer des Wansees bei Potsdam gab er sich selbst den Tod. 
l. Kriegslied 
Zottelbär und Panthertier 
hat der Pfeil bezwungen; 
nur für Geld im Drahtspalier 
zeigt man noch die Jungen. 
Auf den Wolf, soviel ich weiß, 
ist ein Preis gesetzet; 
wo er immer hungerheiß 
geht, wird er gehetzet. 
Reineke, der Fuchs, der sitzt 
lichtscheu in der Erden 
und verzehrt, was er stibitzt, 
ohne fett zu werden. 
der Deutschen. 
Aar und Geier nisten nur 
auf der Felsen Rücken, 
wo kein Sterblicher die Spur 
in den Sand mag drücken. 
Schlangen sieht man gar nicht mehr, 
Ottern und dergleichen 
und der Drachen Greuelheer 
mit geschwollnen Bäuchen. 
Nur der Franzmann zeigt sich noch 
in dem deutschen Reiche; 
Brüder, nehmt die Büchse doch, 
daß er gleichfalls weiche! 
2. An die Königin von Preußen. 
Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen 
still deine Brust verschlossen, was sie litt, 
wie du das Unglück mit der Grazie Tritt 
auf jungen Schultern hast getragen, 
Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen 
selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt, 
wie trotz der Wunde, die dein Lerz durchschnitt, 
du stets der Loffnung Fahn' uns vorgetragen: 
O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen! 
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen; 
wie groß du warst, das ahndeten wir nicht! 
Dein Äaupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert; 
du bist der Stern, der voller Pracht erst flirnmert, 
wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!
	        
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