Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

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Annette von Droste-Hülshoff. 
1797- 1848. 
Dichterin stammte aus einer frommen katholischen Familie und wurde auf 
dem weltabgeschiedenen Gute Hülshofs im Münsterlande geboren. Als Kind 
war sie zart und schwächlich, allen weiblichen Beschäftigungen abgeneigt, aber leb¬ 
haften Geistes, leselustig und schon früh dichterisch tätig. Nach dem Tode ihres 
Vaters lebte sie mit ihrer Mutter auf dem Rüschhofe, dem Witwensitze der Drostes, 
der mitten in der Heide liegt. Alte Sagen wurden hier lebendig, die Gestalten der 
niedersächsischen Bauern tauchten vor ihrem Geiste auf,- die weite Heide, das düstere 
Moor erfüllten ihre Seele mit Schauern. Hier sind ihre schönsten Gedichte ent¬ 
standen: Naturbilder aus Wald, Heide und Moor, erzählende Gedichte, Schilderungen 
und Familienbilder aus dem Leben des westfälischen Volkes. Don ihren Prosa¬ 
dichtungen ist die Erzählung „Die Fudenbuche" am bekanntesten. — Die letzten Jahre 
verlebte die Dichterin in Meersburg am Bodensee bei ihrem Schwager, dem Freiherrn 
von Laßberg, dem Sammler mittelalterlicher Handschriften (Nibelungenlied, Minnesänger). 
1. Das Hirtenfeuer. 
Dunkel, dunkel im Moor, 
über der Heide Nacht, 
nur das rieselnde Rohr 
neben der Mühle wacht, 
und an des Rades Speichen 
schwellende Tropfen schleichen. 
Anke kauert im Sumpf, 
Igel im Grase duckt, 
in dem modernden Stumpf 
schlafend die Kröte zuckt, 
und am sandigen Hange 
rollt sich fester die Schlange. 
Was glimmt dort hinterm Ginster 
und bildet lichte Scheiben? 
Nun wirft es Funkenflinster, 
die löschend niederstäuben; 
nun wieder alles dunkel — 
ich hör' des Stahles Picken, 
ein Knistern, ein Gefunkel, 
und auf die Flammen zücken. 
And Hirtenbuben hocken 
im Kreis umher, sie strecken 
Deutsches Dichterbuch. 
die Hände, Torfes Brocken 
seh' ich die Lohe lecken; 
da bricht ein starker Knabe 
aus des Gestrüppes Windel 
und schleifet nach im Trabe 
ein wüst Wacholderbündel. 
Er läßt's am Feuer kippen - 
hei, wie die Buben johlen 
und mit den Fingern schnippen 
die Funken-Girandolen! 
Wie ihre Zipfelmützen 
am Ohre lustig flattern, 
und wie die Nadeln spritzen, 
und wie die Aste knattern! 
Die Flamme sinkt, sie hocken 
aufs neu umher im Kreise, 
und wieder fliegen Brocken, 
und wieder schwelt es leise; 
glührote Lichter streichen 
an Haarbusch und Gesichte, 
und schier Dämonen gleichen 
die kleinen Heidewichte.
	        
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