Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

Theodor Fontane. 
503 
von Betern war die Kirche voll; 
betende Männer, betende Frau'n 
in schwarzem Festkleid alle zu schaun, 
dazwischen aber — bittre Not — 
leuchtende Punkte von Dänisch-Rot. 
And bis an die Kanzel traten wir hin, 
zwischen Lossen und Bangen ging unser 
Sinn, 
von Auferstehung der Geistliche sprach; 
wir hingen seinen Worten nach, 
seinem Wort von dem abgewälzten Stein, 
wir mischten viel Weltliches mit ein, 
wenn's Sünde war, es war nicht gewollt; — 
horch, es donnert! wie dumpf es rollt. 
Ein Ostergewitter? Es kann nicht sein, 
durch die hohen Fenster fällt Sonnenschein; 
er fällt, wie suchend, gedämpft und mild 
auf das eichengeschnitzte Altarbild, 
auf die zwanzigfeldrige breite Wand 
von Meister Vrüggemanns eigener Land; 
der Felder eines schwimmt wie in Gold, — 
horch, zum zweiten, es donnert, es rollt. 
Es rollt wie näher, die Fenster klirr'n, 
aller Blicke hinüber, herüber irr'n; 
es fragen die Augen bei Freund und Feind, 
ein Flüstern geht leise: „Was ist gemeint?" 
And ehe noch flüsternd die Antwort geht, 
vom Eingang her ein Zugwind weht. 
weit offen die Tür; was gibt's, was ist? 
IndasMittelschifftritteindän'scherLornist, 
und in die Kirche hinein, vom Portal, • 
bläst er Generalmarsch, Signal auf Signal. 
Ein Rasseln, ein Lärmen. Still wieder das 
Laus, 
die roten Punkte loschen aus; 
was deutsch in Schleswig wollte sein, 
war wieder in Schleswigs Dom allein. 
And wie Lilfe suchend und Trost und Ruh', 
den Stufen des Altars drängten wir zu, 
dicht zu; der Geistliche aber spricht: 
„Lerr, du bist unsre Zuversicht! 
Da ist kein Jäger, der uns schreckt, 
solange uns dein Fittich deckt; 
ob tausend fallen an unsrer Seit', 
du bist unser Schirm in jedem Streit, 
du stellst deinen Engel an unsre Tür, 
uns zu behüten für und für; 
wir rufen deinen Namen an, 
hilf uns, wie du so oft getan, 
zersplittre unsrer Feinde Spott, 
du bist unsre Burg, du bist unser Gott, 
blende die Wächter, wälz' ab den Stein," — 
er schwieg. Wie Trommeln klang es herein, 
lustiger preußischer Trommelschlag; 
Heller Mittag über Schleswig lag, 
Heller Mittag über Schloß und Schlei, — 
Ostern war, und das Land war ftei. 
18. Jung 
In Begleitung eines Bildes, bai 
In Lockenfülle das blonde Laar, 
allzeit im Sattel und neunzehn Jahr, 
im Fluge weltein und nie zurück — 
wer ist der Reiter nach dem Glück? 
Iung-Bismarck. 
Was ist das Glück? Jst's Gold, ist's Ehr', 
ist's Ruhm, ist's Liebe? Das Glück ist mehr, 
noch liegt es im Dämmer, erkennbar kaum, 
aber er fleht es in seinem Traum, 
Iung-Bismarck. 
Bismarck. 
ihn in seinem 19. Jahre darstellt. 
Er sieht es im Traume. Was ist, das er 
Am Brunnen sitzt Germania, fsah? 
zween Eimer wechseln, der eine fällt, 
der andere steigt; wer ist's, der ihn hält? 
Iung-Bismarck. 
And neue Bilder: ein Schloß, ein Saal, 
was nicht blitzt von Golde, das blitzt von 
einer dem Barbarossa gleicht —, fStahl, 
wer ist es, der die Krone ihm reicht? 
Iung-Bismarck.
	        
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