Monarch und Parlament hatten einander in schweren innern
Kämpfen gegenseitig kennen und achten gelernt; die Ehrlichkeit der
königlichen Würde, die sichere Ruhe des Königs hatten schließlich die
Achtung auch seiner Gegner erzwungen, und der König selbst war durch
sein hohes persönliches Ehrgefühl zu einer gerechten Beurteilung der
beiderseitigen Situationen befähigt. Das Gefühl der Gerechtigkeit nicht
bloß seinen Freunden und seinen Dienern gegenüber, sondern auch im
Kampf mit seinen Gegnern beherrschte ihn. Er war ein gentleman ins
Königliche übersetzt, ein Edelmann im besten Sinn des Worts, der sich
durch keine Versuchung der ihm zufallenden Machtvollkommenheiten von
dem Satz noblesso oblige dispensiert fühlte; sein Verhalten in der innern
wie in der äußern Politik war den Grundsätzen des Kavaliers alter
Schule und des normalen preußischen Offiziersgefühls jederzeit unter¬
geordnet. Er hielt auf Treue und Ehre nicht nur Fürsten, sondern auch
seinen Dienern bis zum Kammerdiener gegenüber. Wenn er durch augen¬
blickliche Erregung seinem feinen Gefühl für königliche Würde und Pflicht
zu nahe getreten war, so fand er sich schnell wieder und blieb dabei
„jeder Zoll ein König", und zwar ein gerechter und wohlwollender
König und ehrliebender Offizier, den der Gedanke an sein preußisches
Portepee auf richtigem Weg erhielt.
Der Kaiser konnte heftig werden, ließ sich aber in der Diskussion
von der etwaigen Heftigkeit dessen, mit dem er diskutierte, nicht an¬
stecken, sondern brach dann die Unterredung vornehm freundlich ab. Aus¬
brüche wie in Versailles bei Abwehr des Kaisertitels waren sehr selten.
Wenn er heftig wurde gegen Leute, denen er wohlwollte, wie dem
Grafen Roon oder mir, so war er entweder durch den Gegenstand selbst
erregt oder durch fremde, außeramtliche Besprechungen vorher an Auf¬
fassungen gebunden, die sich sachlich nicht vertreten ließen. Graf Roon
hörte dergleichen Explosionen an, wie ein Militär in der Front den
Verweis eines hohen Vorgesetzten, den er nicht verdient zu haben glaubt,
aber er litt nervös darunter und sekundär auch körperlich. Auf mich
haben Ausbrüche von Heftigkeit des Kaisers, die ich seltner erlebte als
Roon, niemals kontagiös, eher abkühlend gewirkt. Ich hatte mir die
Logik zurechtgelegt, daß ein Herrscher, der mir in dem Maß Vertrauen
und Wohlwollen schenkte, wie Wilhelm I., in seinen Unregelmäßigkeiten
für mich die Natur einer vis major habe, gegen die zu reagieren mir
nicht gegeben sei, etwa wie das Wetter oder die See, wie ein Natur¬
ereignis, auf das ich mich einrichten müsse; und wenn mir das nicht