I. Die Jahres- und Festzeiten. 
39 
5. Läßt mich denn niemand ein | 
Ich will ja selbst nichts haben, 
Ich will ja nur am Schein 
Der fremden 'Weihnachtsgaben 
Mich laben ganz allein!» 
6. Es klopft an Tür und Tor, 
An Fenster und an Laden; 
Doch niemand tritt hervor, 
Das Kindlein einzuladen; 
Sie haben drin kein Ohr. 
7. Ein jeder Vater lenkt 
Den Sinn auf seine Kinder; 
Die Mutter sie beschenkt, 
Denkt sonst nichts mehr noch minder; 
Ans Kindlein niemand denkt. 
8. «0 lieber, heil’ger Christ! 
Nicht Mutter und nicht Vater 
Hab’ ich, wenn du’s nicht bist; 
0 sei du mein Berater, 
Weil man mich hier vergißt!» 
9. Das Kindlein reibt die Hand, 
Sie ist von Frost erstarret; 
Es kriecht in sein Gewand 
Und in dem Gaßlein harret, 
Den Blick hinausgewandt. 
10. Da kommt mit einem Licht 
Durchs Gäßlein hergewallet 
Im weißen Kleide schlicht 
Ein ander Kind; — wie schallet 
Es lieblich, da es spricht: 
11. «Ich bin der heil’ge Christ, 
War auch ein Kind vordessen, 
Wie du ein Kindlein bist; 
Ich will dich nicht vergessen, 
| Wenn alles dich vergißt. 
12. Ich bin mit meinem Wort 
Bei allen gleichermaßen; 
| Ich biete meinen Hort 
j So gut hier auf den Straßen 
Wie in den Zimmern dort. 
! 13. Ich will dir deinen Baum, 
Fremd Kind, hier lassen schimmern 
Auf diesem offnen Raum 
So schön, daß die in Zimmern 
So schön sein sollen kaum.» 
14. Da deutet mit der Hand 
Christkindlein auf zum Himmel, 
Und droben leuchtend stand 
Ein Baum voll Sterngewimmel 
Vielästig ausgespannt. 
15. So fern und doch so nah, 
Wie funkelten die Kerzen! 
Wie ward dem Kindlein da, 
Dem fremden, still zu Herzen, 
Da ’s seinen Christbaum sah! 
j 16. Es ward ihm wie ein Traum; 
j Da langten hergebogen 
Englein herab vom Baum 
Zum Kindlein, das sie zogen 
Hinauf zum lichten Raum. 
17. Das fremde Kindlein ist 
Zur Heimat nun gekehret, 
Bei seinem heil’gen Christ, 
Und was hier wird bescheret, 
Es dorten leicht vergißt. 
Fr. Rückert. 
49. ßhristnachl. 
1. Heil'ge Nacht, auf Engelschwingcn I 
Nahst du leise dich der Welt, 
Und die Glocken hör' ich Hingen, 
Und die Fenster sind erhellt. 
Selbst die Hütte trieft von Segen, 
Und der Kindlein froher Dank 
Jauchzt dem Himmelskind entgegen, 
Und ihr Stammeln wird Gesang.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.