Poesie.
I. Epische Dichtung.
109. Der wilde Jäger.
1. Der Wild- und Rheingraf stieß
ins Horn:
„Hallo, hallo zu Fuß und Roß!"
Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn;
laut rasselnd stürzt' ihm nach der
Troß;
laut klifft' und klafft' es, frei vom
Koppel,
durch Korn und Dorn, durch Heid'
und Stoppel.
2. Vom Strahl der Sonntags¬
frühe war
des hohen Domes Kuppel blank.
Zum Hochamt rüste dumpf und klar
der Glocken ernster Feierklang.
Fern tönen lieblich die Gesänge
der andachtsvollen Christenmenge.
3. Rischrasch quer übern Kreuz¬
weg ging's
mit Horrido lind Hussasa.
Sieh da! sieh da! kam rechts und
links
ein Reiter hier, ein Reiter da!
Des Rechten Roß war Silbers
Blinken,
ein Feuerfarbner trug den Linken.
4. Wer waren Reiter links und
rechts?
Ich ahn' es wohl, doch weiß ich's nicht.
Lichthehr erschien der Reiter rechts,
mit mildem Frühlingsangesicht;
graß, dunkelgelb der linke Ritter,
schoß Blitz' vom Aug' wie Un-
gewitter.
5. „Willkommen hier zu rechter
Frist,
willkonunen zu der edeln Jagd!
Auf Erden und im Himmel ist
kein Spiel, das lieblicher behagt."
Er rief's, schlug laut sich an die
Hüfte
lind schwang den Hut hoch in die
Lüfte.
6. „Schlecht stimmet deines Hornes
Klang,"
sprach der zur Rechten sanftes Mills,
„zu Feierglock' lind Chorgesang.
Kehr um! Erjagst dir heilt nichts
Gut's.
Laß dich den guten Engel warnen
und nicht vom Bösen dich unt=
garnen!" —