Mannschaften waren schon seit Stunden beisammen. Herr Nettenmair
hatte seinen Sohn Apollonius nach der Hauptwachtstube im Rathause
gesandt, um da seine, des Ratsschieferdeckermeisters, Stelle zu vertreten.
Die zwei Gesellen saßen bei den Tnrmwächtern, der eine zu Sankt
Georg, der andere zu Sankt Nikolaus. Die übrigen Ratswerkleute
unterhielten sich in der Wachtstube, so gut sie konnten. In dem Augen¬
blick brauste der Sturmwind von neuem in den Lüften daher. Auf dem
Rathausturme schlug es eins. Der Glockenton wimmerte in den Fäusten
des Sturmes, der ihn mit sich fortriß in seine wilde Jagd. Apollonius
trat an ein Fenster, wie um zu sehen, was es draußen gebe. Da
leckte eine riesige schwefelblaue Flamme herein, bäumte sich zitternd zwei¬
mal an Ofen, Wand und Menschen auf und verschlang sich spurlos in
sich selber.
„Das hat eingeschlagen!" sagte einer. Ein Hilfegeschrei, ein Feuer¬
ruf erscholl durch Sturm und Donner. „Es hat eingeschlagen!" schrie es
draußen auf der Straße. „Es hat in den Turm von Sankt Georg
geschlagen. Fort nach Sankt Georg! Jo! Hilfe! Feuerjo! Auf Sankt
Georg! Jo! Feuerjo auf dem Turm von Sankt Georg!" Hörner
bliesen, Trommeln wirbelten darein. Und immer der Sturm und Donner
auf Donner. Dann ries es: „Wo ist der Nettenmair? Kann einer
helfen, ist's der Nettenmair! Jo! Feuerjo! Auf Sankt Georg! Der
Nettenmair! Wo ist der Nettenmair? Jo! Feuerjo! Auf dem Turm
zu Sankt Georg!"
Der Bauherr sah Apollonius erbleichen, seine Gestalt noch tiefer in
sich zusammensinken als seither. „Wo ist der Nettenmair?" rief es wieder
draußen. Da schlug eine dunkle Röte über seine bleichen Wangen, und
seine schlanke Gestalt richtete sich hoch auf. Er knöpfte sich rasch ein, zog
den Riemen seiner Mütze fest unter dem Kinn. „Bleib' ich," sagte er zu
dem Bauherrn, indem er sich zum Gehen wandte, „so denkt an meinen
Vater, an meines Bruders Weib und seine Kinder!" Der Bauherr war
betroffen. Das „Bleib' ich" des jungen Mannes klang wie: „Ich werde
bleiben." Er hatte nicht Zeit, etwas zu erwidern. Er drückte ihm die
Hand. Apollonius empfand alles, was der Händedruck sagen wollte. Er
sagte mit seinem alten Lächeln: „Auf solche Fälle bin ich immer bereit.
Aber es gilt Eile. Auf frohes Wiedersehen!" Der schnellere Apollonius
war dem Bauherrn bald aus den Augen.
Der Ruf: „Nettenmair! Wo ist der Nettenmair?" tönte dem Ge¬
rufenen auf seinem Wege nach Sankt Georg entgegen und klang hinter
ihm her. Das Vertrauen seiner Mitbürger weckte das Gefühl seines
Wertes wieder in ihm auf. Als er, aus der Fremde zurückkehrend, die
Heimatstadt vor sich liegen sah, hatte er sich ihr und ihrem Dienste gelobt.
Nun durfte er sich zeigen, wie ernst gemeint sein Gelübde war. Er
übersann in Gedanken die möglichen Gestalten der Gefahr, und wie er