Metadata: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

sogenannte Schimmelreiter seinen Umzug. Das ist gewöhnlich ein Bauern¬ 
bursche, der sich an der Brust ein Sieb befestigt hat, an dem vorn ein 
Pferdekopf angebracht ist, und das dann mit einem weißen Bettuche be¬ 
hängt wird. So erhält der Bursche das Ansehen eines Reiters auf einem 
Schimmel und zieht von Hof zu Hof, von Haus zu Haus. Er fragt 
die Kinder, ob sie beten können, und läßt sie dann ihre Verslein und 
Liedchen hersagen. Die in dieser Probe gut bestehen, beschenkt er mit 
Äpfeln, Nüssen und Pfefferkuchen, während er solche, die nichts gelernt 
haben, mit einer Rute straft. Dieser Schimmelreiter ist niemand anders 
als Wodan, von dem die Vorfahren erzählten, daß er auf einem weißen 
Rosse dem Zuge der Götter voranreite. Er heißt in den meisten Gegenden 
Ruprecht. Dieses Wort ist entstanden aus „Hruodperacht", einem frühern 
Beinamen Wodans, der soviel wie „ruhmglänzend" bedeutet. 
An andern Orten erscheint der Ruprecht am Weihnachtsheiligabend 
in der Gestalt eines alten, in Pelzwerk oder auch in Stroh eingehüllten, 
bärtigen Mannes, der an fleißige und artige Kinder Äpfel und Nüsse, an 
faule und unartige dagegen Rutenhiebe austeilt. 
Selbst Abbilder des alten Gottes Wodan gibt es noch zu Weihnachten, 
und gerade diese Bilder mögen die Kinder unter dem Christbaum nicfjt 
gern vermissen. Freilich merkt man ihnen jetzt fast nichts mehr an von 
der strahlenden, lichten Schönheit des alten Gottes; es sind nämlich die 
Männer und Reiter aus Pfefferkuchenteig, die jetzt an den Christbaum 
gehängt werden. Sie sind ursprünglich nichts anderes als Abbilder 
Wodans gewesen. 
Der Christbaum selbst ist eine Erinnerung an die altheiduische Zeit. 
Man suchte sich nämlich an dem Sonnenwendfeste die Freuden des 
kommenden Frühlings zu vergegenwärtigen, soweit es der noch immer 
herrschende Winter gestattete. Das frische, saftige Grün des Frühlings 
war es, das man vor allem feierte, und so pflanzte man zum Feste der 
Wintersonnenwende in Ermangelung andrer grüner Bäume die immer¬ 
grünen Tannenbäume vor die Häuser, behängte sie mit bunten Bändern 
und besteckte sie mit Lichtern. 
Als das deutsche Volk zum Christentum bekehrt war, begnügte es 
sich bald nicht mehr damit, die Erzählung von der Geburt des Welt¬ 
heilandes von seinen Predigern vorlesen zu hören, sondern es machte sich 
auch daran, diese Erzählung selbst darzustellen. Bald gab es fast keine 
Kirche mehr, in der nicht während der Weihnachtsfeiertage eine mehr 
oder weniger kostbare Krippe oder Wiege, manchmal sogar mit einem 
Bilde des göttlichen Kindes, aufgestellt wurde. Bald sing man an, diesen 
Gebrauch in den Wohnhäusern nachzuahmen. Diese in den Familien 
aufgestellten Krippen bildeten oft die größte Weihnachtsfrende der jubelnden 
Kinderschar, und nicht selten waren sie mit wahrer Pracht ausgestattet. 
Aber auch mit geringem Aufwande war es möglich, eine Darstellung der 
38*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.