nicht der Mann mit alten Sachen, der Trödler, der unermüdlich die
Straßen durchwandert und Käufer und Verkäufer in einer Person ist.
Die meiste Aufmerksamkeit erregt der durchziehende Fischhändler.
Bronzefarben, schlank und hager, aber voll Federkraft, in seinen Zügen
ein Gemisch von Verschlagenheit, Geldgier und Mißtrauen, stürzt er an
heißen Tagen, wo seine Ware gar bald verderben könnte, mit Tiger¬
sprüngen durch die Straßen. „Jetzt, jetzt eben hab' ich sie aus dem
Netze genommen. Seht, sie zappeln noch, sie springen von selbst in die
Pfanne!" Beim Feilschen um den Preis geht es bei diesen Händlern
oft recht schlimm zu, und wütend läuft er die Treppen hinab, um doch
zwei-, dreimal zurückzukehren. Ruhiger und geduldiger ist der Austern¬
händler, der seinen Stand mit seinen Berufsgenossen ehedem in langer
Reihe in dem berühmten Santa Lucia hatte, von wo ihn die Neuzeit
bald ganz vertreiben wird.
Das Meer bietet den Küstenbewohnern noch andere Genüsse. Dazu
wird auch der Tintenfisch gerechnet, der im Volke noch immer Polyp
genannt wird. Ihm ist in den Straßen Neapels ein eigener Verkaufs¬
stand gewidmet, und er wird von den kleinen Leuten sehr geschätzt, da er
so lange im Magen zu spüren ist. Der Polyp wird in seinem eigenen
Safte gekocht und mit etwas Salz und Zitronensaft verschlungen.
Die Makkaroni! Wollte man alle ihre Sorten, ihre Herstellung
und Bereitung genauer beschreiben, so würde das ein Kapitel für sich
erfordern. Neapel steht in dem Rufe, 'mit besonders guten Makkaroni
versorgt zu sein. Diese kommen zum größten Teil aus Amalfi und werden
in den Garküchen von den neapolitanischen Leckermäulern mit besonderem
Behagen „versponnen", d. h. in langen unzerschnittenen Fäden bündel¬
weise verschlungen. Tomatensauce und feingeriebener Käse erhöhen den
Wohlgeschmack. Einfacher bereitet und von geringerer Güte sind die
Nudeln, die in der Makkaroniküche auf der Straße feilgeboten werden.
Aber sie finden begeisterte Liebhaber, welche sie ohne Benutzung der Gabel
verzehren, inbent sie sie von der emporgehobenen Hand in den Mund
herabhängen lassen.
13. Koilftil.'ntlTlOpfcl* Von fnedricb Raumann.
Asia. 4. Auflage. Berlin 1900. 8. 24.
1.
wNeit größten Augenblick in Konstantinopel erlebten wir ganz zufällig.
Xm/ Es war nicht die Parade beim Selamlik des Sultans in Dolma
Bagtsche, so interessant es war, den Padischah mit seinen Generalen und
söhnen zu sehen; es war die ungesucht entstandene große Parade des
Volkes, die wir am Nachmittag schauten, als wir über die neue Brücke
reiten wollten, die Pera und Galata mit Stambul verbindet. Es traf sich,
29*