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„Der Himmel selbst flammt auf, wenn Fürsten sterben," sagt 
Shakespeare, und ein deutscher Hofbauer ist auch ein Fürst. Er war es 
wenigstens noch zu Zeiten des alten Hermesburen. Der horte im Sterben 
die Stimme des kommenden Wetters und wußte, daß die Ernte drunten 
lag am Fuße des Hügels. „Ich kann allei sterbe," hub der Alte zu 
seinen Kindern zu reden an, „helft ihr drunte dene Völker Garbe binde, 
un sorgt für euer Brot zur Winterszit. Ich brnch keins meh', ich wart' 
uf de Winter drunte us'm Gottsacker." 
Hinter dem uralten Kasten in der Sterbekammer stand eine alte, 
lange Flinte, im Hause von jeher nur „der Brummler" genannt. Schon 
der Urahn des Sterbenden hatte mit dem Brummler das Neujahr und 
die Kirchweih' ins Tal hinuntergeschossen. Mit ihm wollte auch der 
sterbende Hermesbur seinen Tod ansagen. „Legt mir de Brummler," so 
sprach er weiter, „g'lade unters Kammerfensterle und bindet ans Schloß 
a Schnur. Die gebt ihr mir in d' Hand." So geschah es, und alsdann 
redete der Alte weiter: „So, jetzt geht ihr 'nab un helft Garbe binde, un 
der Vatter wartet uf de Tod. der summt, zieh' i d' Schnur am 
Brummler. Wenn ihr den int Tal drunte hört, dann kniet nieder und 
betet ein Vaterunser und ,Herr, gib ihm die ewige Ruh' — denn euer 
Vatter ischt tot. Und setz b'hüet euch Gott. Blibt brav, wie euer Vatter 
un Mutter es g'si sinn." 
Nun gab er jedem seiner Kinder die Hand zum Abschied und 
mahnte sie zur Eile mit den Worten: „Aber setz geht schnell, 's donnert 
scho wieder." 
Der Alte hatte allzeit seinen Willen fest wie Eisen. Sein letzter 
Wille aber war heute wie Diamant. Die Kinder, immer gewohnt, ihm 
zu folgen, gehorchten auch hier. Weinend gingen sie den Hügel hinab, 
und unter Tränen banden sie ihre Garben. Tränenden Auges schauten 
sie von Zeit zu Zeit von der Arbeit hinauf zum Hermeshof, ob sie nicht 
vor dem Donnern des Himmels den Brummler überhört hätten. 
Eben war die letzte Garbe gebunden und geladen, da fuhren Blitz 
und Schlag übers Tal hin. Eine plötzliche Stille folgt dem Zucken und 
Rollen vom Himmel her — da fällt ein Schuß vom Hof herab: der 
Brummler gibt das Todessignal des Vaters. Neben den Erntewagen 
knien die Kinder und beten ein Vaterunser und „Herr, gib ihm die ewige 
Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm." Dann führen sie ihre Garben 
den Berg hinaus ins Vaterhaus. Der Vater ist tot, da sie seine Stube 
betreten. Die Ernte ist daheim und der Vater auch. — 
So sterben große Menschen, und große Menschen finden sich nicht 
bloß auf Fürstenthronen, auf Schlachtfeldern, auf Kathedern, sie finden 
sich, oft weit großer, auch in stillen Tälern, auf einsamen Gehöften. Im 
Volke, diesem Meere der Menschheit, da leben Adamskinder von jeder 
Sorte. —
	        
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