Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

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® W Zur Naturkunde W K 
1. Die Seide und die Seidenraupe. 
Von Hermann flßaTius. 
Naturstudien. 2. Band. 3. Auflage. Leipzig 1900. 8. 33. 
nter allen Stoffen, welche der Mensch von der Natur 
empfing, sich damit zu kleiden, steht die Seide obenan. 
Mit Recht wird sie in älteren Dichtungen als die 
„königliche" gepriesen. Denn ebenso zart als dauernd, 
vereinigt sie mit diesen Vorzügen eine Weichheit, welche 
sich nachgiebig um jede Form des Körpers schmiegt, 
und einen Glanz, der das Auge anzieht, ohne es zu 
blenden. Dazu kommt der weitere Umstand, daß sie das einzige unserer 
Gewebe ist, welches Klang hat. Die Seide „rauscht", sie macht das Spiel 
der Glieder hörbar und erscheint dadurch selbst wie etwas Lebensvolles. 
Somit erklärt sich dann zur Genüge, warum die großen Farbenkünstler 
unter den Holländern, warum auch die großen italienischen Meister so oft 
und so gern seidene Gewänder gemalt haben. Es war der feine Faden, 
der vornehme Faltenwurf, vor allem der milde, perlartige und doch 
prächtige Schiller, der ihre Technik reizte. 
Das Insekt, welchem wir das köstliche Gespinst verdanken, stammt aus 
China. Dort in den Wäldern der weißen Maulbeere lebt die Raupe des 
eigentlichen Seidenschmetterlings. Er selbst, der kleine unansehnliche Falter 
mit den kurzen, trübweißen Flügeln, gehört zu der Gruppe der sogenannten 
„Spinner", deren Larven sich insgesamt durch eine seidenähnliche Ver¬ 
puppungshülle kennzeichnen, und die merkwürdig genug neben diesem 
nützlichsten auch die verderblichsten aller Insekten in sich begreifen. 
Der Seidenspinner ist von China aus seit langem fast in alle 
warmen Länder und insbesondere auch nach Südeuropa übergesiedelt, 
um hier in treibhausartiger Wärme und unter dem wachsamen Auge 
der Züchter sich fortzupflanzen. Das Weibchen des Falters legt vier- 
bis fünfhundert Eier; aber es gehören ihrer mindestens zweitausend 
zu einem Gramm, denn sie haben kaum die Größe eines Mohnkorns. 
Nach zehn bis zwölf Tagen kriechen aus den Eiern schmutzige Würmchen 
aus, die, im Siebe durcheinanderwimmelnd, kaum die Hand voll 
Maulbeerblätter bewältigen, welche man ihnen reicht. Aber wunderbar
	        
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