langten und das Geschehene erzählten, da verstummte die Musik, da er¬
loschen die Fackeln, und die Stadtknechte eilten hinaus, die Leichname der
Erschlagenen zu holen und den trostlosen Witwen und Waisen zu bringen.
Bilder aus Berlins Nächten. 2. Au fl. Berlin, 1870, S. 28.
187. Kaiser Wilhelm II. über den Großen Kurfürsten.
Rede, gehalten am 20. Juni 1901 bei der Enthüllung des Denkmals in Kiel.
3erstampfte Saaten, verwüstete Fluren, niedergebrannte Dörfer, Krank¬
heit, Not und Elend, so sah es in der sandigen Mark aus, als der
im ersten Jünglingsalter stehende junge Kurprinz durch den plötzlichen
Tod seines Vaters an die Spitze der Regierung berufen wurde. Fürwahr,
keine beneidenswerte Erbschaft, eine Aufgabe, die eines gereiften, ausge¬
wachsenen, mit allen Verhältnissen vertrauten Mannes bedurft hätte und
für ihn fast zu schwer gewesen wäre. Unverzagt trat der Jüngling an
diese Aufgabe heran, und mit wunderbarer Geschicklichkeit gelang es ihm,
dieselbe zu lösen. Mit eiserner Energie, das Ziel vor Augen, das er sich
einmal gesetzt, durch nichts sich ablenken lassend, hat der Kurfürst sein Land
emporgehoben, gestärkt, seine Bevölkerung wehrhaft gemacht, seine Grenzen
vom Feinde gesäubert und sich bald eine Position erworben, daß ihm die
Mitwelt und zumal seine Gegner noch bei seinen Lebzeiten den Beinamen
des Großen gegeben haben, ein Beiname, der sonst nach schwerem, ver¬
antwortungsvollem Leben dem Herrscher nach dem Tode von seinem dank¬
baren Volke beigelegt wird.
Und dieser Jiingling, der zu einem gewaltigen Manne ausreiste, der
sein Land in dieser schweren Arbeit aufgerichtet hatte, war der erste Fürst,
der ans die See hinanswies, war der Begründer der brandenburgischen
Flotte. Da ist es wohl eine Ehrenpflicht, wenn die deutsche Flotte sein
Standbild unter sich aufrichtet, und wenn Offiziere unb Mannschaften der¬
selben an dem Anblick dieses Standbildes sich erbauen und in ihren
Gesinnungen festigen lernen. Gott hat es also gefügt, daß der Kurfürst
in den Niederlanden seine Jugend verbrachte, die Arbeit, den Fleiß, die
Verbindungen nach außen, den Nutzen des Handels schützen und pflegen
lernte. Was er dort bei dem fleißigen, einfachen Volke der Seefahrer
deutschen Stammes gelernt, das übertrug er auf sein Land. Fürwahr,
in der damaligen Zeit ein ganz gewaltiger Entschluß, der bei seinen Unter-
tanen und bei seinen Zeitgenossen zuerst wohl kaum verstanden wurde!
Die brandenburgische Flotte erblühte unter seinem gewaltigen Schutz nnb
Willen, unter den Händen bewährter Niederländer, des Admirals Raule
und seines Bruders. Allein nach dem Tode des Kurfürsten sank auch
seine Schöpfung dahin. Es ward ihm nicht bestimmt und auch ihr nicht,
die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Die Nachfolger an der Krone mußten
sich erst ihr Recht erkämpfen, in der Welt mitzureden und ihr Volk in
ihren Grenzen im Frieden ungestört zu regieren. Das hatte zur Folge,
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