245. Im Luftschiff mit dem Grafen Zeppelin. 1909.
Von Friedrich Naumann.
Wir fuhren im Motorboot zur schwimmenden Halle. Graf
Zeppelin saß hinten und hatte das Blatt in der Hand, auf
dem wir und unsere Gewichte verzeichnet waren. Er gruppierte
in Gedanken und verteilte uns nach der Mitte und den zwei
Gondeln, ln der Mitte nämlich war ein Zwischenbau mit sechs
Sitzplätzen angelegt worden, um mehr Reichstagsabgeordnete und
Bundesratsmitglieder aufnehmen zu können. Jeder erfuhr seinen
Platz und freute sich dessen, was er erleben sollte. Rings herum
aber drehten sich vierzehn Dampfschiffe voll bunter Menschen und
zahllose Barken und Kähne, deren Insassen zu jubeln anfingen,
sobald die weiße Mütze des Grafen in ihre Nähe kam. Es war
wie bei einem der farbigen Feste in Venedig oder wie bei dem
Stapellauf eines großen Seeschiffes. Von allen Seiten waren sie
gekommen, um zuzusehen, wie die Volksvertretung sich in die
Luft erhebt. Auch die Bewohner von Friedrichshafen waren dabei;
denn sie werden es nicht müde, mit ihrem Grafen Feste zu feiern.
Seit reichlich einem Jahrzehnt haben sie ihn dort am Gestade
arbeiten sehen, und Neugierde wurde zur Teilnahme, Teilnahme
zur Begeisterung. Es ist ja auch sonst für den Ort sehr nützlich,
daß gerade hier die neue Zeit anfängt, in der man über Berg,
Wald und Wasser dahingleitet wie über einen Teppich, den Natur
und Geschichte gebreitet hat, damit das helle, große, glatte Un¬
geheuer seine richtige Umgebung finde.
Unter dem Rufen der Kähne und Schiffe landete also unser
Motorboot an dem schwimmenden Bretterhaus, diesem Werkstätten¬
bahnhof des Luftschiffs. Mit knappem, festem Sprunge war Zeppelin
als erster oben und sah zu, daß kein Volksvertreter etwa ver¬
sehentlich ins Wasser falle. Und nun hinein in die Halle! Da
hauste der Wurm und lag. Alle Welt kennt seine Gestalt und
Farbe; wir aber waren nun unmittelbar bei ihm und konnten
Material und Mechanismus in der Nähe betrachten. Graf Zeppelin
eröffnete seine Erklärungen mit den Worten: „Sie sehen, meine
Herren, wie einfach die ganze Geschichte ist!“ So spricht der
Mann, dem schwere Dinge schließlich als ganz natürlich erscheinen.
Er zeigt uns den Aluminiumbau, spricht darüber, weshalb Aluminium
dem Stahl vorzuziehen sei, zeigt die Steuerung, die neu eingesetzten
Propeller und die Anker. Währenddessen wird noch dies und das
gearbeitet, der Graf grüßt seine Leute. Die Halle selbst ist ein
beachtlicher Bau; denn groß und weit muß alles sein, was zur Er¬
oberung der Luft gehört, ln wohlgeschichteten Haufen liegen die
metallenen Behälter von Wasserstoffgas, und von draußen dringt
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