Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

Zur Erdkunde tjjlß 
1. Der Hltitadtmarkt m Braunschweig 
Von O. FJobnTtein. 
Lesebuch für Bürgerschulen. V. Teil. Herausgegeben vom Braunschweigischen 
Pestalozziverein. 
Altstadtmarkt zu Braunschweig bietet eiu Bild mittelalterlicher 
XJ Herrlichkeit, wie es nur wenige Städte in ähnlicher Weise auszuweisen 
haben. Und doch, wie teilnahmlos eilen heute die meisten au dieser 
Stätte einstiger Blüte vorüber; scheint es doch fast, als ob nur Fremde 
ein wirkliches Interesse an jenen altehrwürdigen Bauwerken hegten. Wie 
wenige gibt es, die mit Liebe und Ehrfurcht den alten Geschichten lauschen, 
die uns jene Überbleibsel einer glanzvollen Periode unserer Vaterstadt 
erzählen, wie wenige, die für alle die Schönheiten jener Bauwerke ein 
scharfes Auge und ein warmes Herz haben. Still liegt der Platz da; 
selten nur herrscht auf ihm ein regeres Leben, wenn an zwei Wochen¬ 
tagen einige Gemüsehändlerinnen, Fleischer und Fischhändler ihre Waren 
feilbieten: oder wenn eine festliche Versammlung in dem Saale des Rat¬ 
hauses tagt. Dann freilich strahlt der Platz im glänzendsten Lichte; 
Tausende und Abertausende von Gasflämmchen lassen die Feinheiten des 
gotischen Stiles aufs klarste erkennen und locken zahllose Zuschauer an. 
Wie ganz anders aber war es zu jener Zeit, als Braunschweig 
noch eine der wichtigsten Handelsstädte im Norden Deutschlands war, als 
es in der Reihe der Hansastädte eine der ersten Stellen einnahm. 
Welch buntes, reges Gewühl herrschte hier selbst an den gewöhnlichen 
Markttagen! Dicht gedrängt standen die Karren der Landleute, Land¬ 
bäcker und Fleischer; mächtige Frachtwagen mit Kaufmannsgütern, von 
den reitenden Knechten der Stadt begleitet, fuhren über den Platz dem 
nahen Wagehause zu. Mit Bier, Korn und Hopfen beladene Wagen 
waren von Maklern und Käufern dicht umringt; auf zahlreichen Kraut¬ 
bänken wurden Gemüse, Obst, Brot, Butter und Käse und andere Waren 
feilgehalten. Zahlreiche Tonnen mit Heringen und andern Seefischen 
standen zum Verkaufe, ja selbst die Schneider, Schuhmacher, Gürtler und 
Goldschmiede boten die mannigfachen Erzeugnisse ihres Knnstfleißes aus. 
Fahrende Leute, Gaukler, Zigeuner und „Storger" zogen mit ihren rohen 
Künsten die Leute in Menge herbei, Theriakkrämer und wandernde 
Ärzte priesen lärmend ihre unfehlbaren Heilmittel an, und die Kunststücke
	        
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