Full text: Deutsche Prosa und Poesie (Teil 4, [Schülerbd.])

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Du weißt, ich bin ein ein’ger Gott, 
deshalb gebührt mir und ist not, 
150 daß ich verseh’ die ganze Welt 
mit deinen Kindern obgemeld’t, 
mit Leuten zu den Regimenten, 
dergleichen zu den untern Ständen, 
auf daß sie miteinander wandern, 
155 bestehn könnt’ keiner ohne den 
andern. 
Wenn alle wären Fürsten und Herrn, 
wer wollte bauen Korn und Kern, 
wer dräsch’ und mahlte, bük’ dazu, 
wer schmiedete, webte, machte Schuh’, 
160 zimmerte, baute, schnitzt’ und drehte, 
wer grübe,gösse, schnitt’ und mähte? 
Schau’, für dies alles ich erwähl’ 
und jedem Stande Leut’ zustell’, 
die dafür passend können sein, 
165 denselben zu vertreten allein, 
auf daß in jedem Stand auf Erden 
und Amt nichts soll versäumet werden, 
damit ein Stand den andern erhalt’. 
Mit Hilfe meiner Gottesgewalt 
170 sie alle doch ernähret werden 
in seinem Stand jeder auf Erden, 
daß so dasganze Menschengeschlecht 
verbunden bleibet immer recht, 
gleich wie in einem Leib die Glieder." 
175 Da gab zur Antwort Eva wieder: 
,,AchHerr, vergib, ich war zu schnell! 
Es gescheh’ dein göttlicher Befehl 
an meinen Kindern nach deiner Ehr’, 
ich will dir nichts dreinreden mehr." 
Der Beschluß. 
180 Allhier aus dieser hübschen Fabel 
ersehn wir wie aus einer Parabel, 
daß man zu jedem Handel heute 
noch allezeit kann finden Leute 
in allen Ständen hin und wieder, 
185 sei’n hoch sie, oder sei’n sie nieder. 
Kein Stand ist so gering und schlecht, 
man find’t im menschlichen Ge¬ 
schlecht 
doch Leut’, die sich gern geben drein. 
Dabei spürt heimlich man allein, 
190 wie Gott so wunderbar regiert 
und also weislich ordiniert 
dicStänd’, daß in der Welt bestehe 
das Menschengeschlecht, und es or¬ 
dentlich gehe, 
wie wohl jetzt Ober- und Untertan 
195 so gröblich fehlen oft daran, 
da keiner bleibt in seinem Beruf, 
zu dem ihn Gott der Herr erschuf, 
will gar nicht dran begnüget sein, 
und drängt sich jeder weiter ein, 
200 dem Nächsten sein zum offnen 
Schaden; 
damit sind alle Stände überladen, 
da einer vor den andern dringet, 
betrügt, übervorteilt, schindet und 
zwinget, 
ganz wider Gottes Anordnung. 
205 Deshalb leid’t jetzund alt und jung 
viel unbilligen Ungemachs. — 
Gott wendt’ ’s zum besten, wünscht 
Hans Sachs. 
3. Sankt Peter mit den Landsknechten. 
Neun armer Landsknecht’ zogen aus 
und bettelten von Haus zu Haus, 
dieweil kein Krieg im Lande was; 
ein’s Morgens trug sie ihre Straß’ 
5 hinauf bis vor das Himmelstor; 
da klopften sie an davor; 
denn betteln wollten sie auch dorten. 
Sankt Peter wartete der Pforten. 
Als er davor die Landsknecht’ sah, 
10gar schnell zum Herren sprach er da: 
,,Herr, draußen steht ’ne arme Rots, 
laß sie doch ein, ’s tut ihnen not, 
sie wollten gern hier betteln gehn." 
Der Herr sprach: „Laßt sie länger 
stehn." 
15 Als nun die Landesknecht’ mußten 
harren, 
fingen an zu fluchen sie und scharren: 
„Marter, Leiden, Sakrament!" 
Sankt Peter diese Flüch’ nicht kennt, 
vermeint’, sie sprächen von geist¬ 
lichen Dingen, 
20 will in den Himmel sie da bringen 
und spricht: „O lieber Herre mein, 
ich bitte dich, laß sie herein; 
denn frömm’re Leut’ ichniemalssah."
	        
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