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Zweiter Zeitraum.
zog ihn herein, und befahl dem Kutscher fortzufahren. Als
er eine Stunde von Magdeburg war, sagte er zu dem Re—
gierungsrathe, derselbe kõönne nun aussteigen, und nach Hause
gehen. So war der Mann genöthigt, am hellen Tage durch
die Straßen der volkreichen Stadt in Schlafrock und Pan—
toffeln sich nach Hause zu begeben, wenn er nicht unter—
weges ein Unterkommen fand, und sich andere Kleider aus
der Stadt holen ließ.
Friedrich J. hatte etwa 40,000 Mann Truppen gehal—
ten, Friedrich Wilhelm J. brachte sie auf 76,000, doch besaß
er seine Kriegsmacht nur zum Prunke, einen ernstlichen
Gebrauch hat er während seiner 27jährigen Regierung nie
von ihr gemacht, obgleich alle seine Nachbarn oft gegen
einander zu Felde zogen.
Friedrich Wilhelm J. hatte eine geistreiche Mutter gehabt,
die Königinn Sophie Charlotte, die nämliche, welcher
zu Ehren Friedrich J. das neue schoͤne Schloß Charlotn—
tenburg benannte, und welche mit Leibnitz die Akademie
zu Berlin gründete. Aber von ihrem wissenschaftlichen Geiste
war nichts auf ihren Sohn gekommen. Friedrich Wilhelm 1.
verachtete die Wissenschaften, und haßte die Gelehrten, die
er nur Dintenklekser nannte, und hei jeder Gelegenheit zum
Besten hatte. Seine Hofnarren machte er zu Präsidenten
der Akademie, und den meisten Akademilern entzog er die
Gehälter. Als er einmal durch Frankfurt kam, ließ er
sämmtliche Professoren der Universität durch seine Unteroffi—
ziere in den Hörsaal treiben, und in ihrer Gegenwart den
Satz vertheidigen, daß alle klassischen Schriftsteller Roms
und Griechenlands nur Saalbader und Narren gewe—
sen seien.
Dies waren die schwachen Seiten des Königs. Sons
war er ein großer Regent, und hat sein Land sehr glücklich
gemacht. Er erließ der arbeitenden Klasse alle druͤckenden
Steuern, und zog alle adligen Güter, die bisher steuerfrei
hn waren, zu den Abgaben heran. Er nahm an 4000
Familien aus fremden Ländern auf, und bevölkerte mit
ihnen wüste Landstriche; der sonst so geizige König reichte
ihnen Reisegeld, Baugegenstände und Ackergeräthe. Zu