Full text: Vom westfälischen Frieden bis zur Befreiung Europa's (Bd. 7)

70 Zweiter Zeitraum. 
geführt, und mit so allgemeinem —— de man ihn 
Z Monate lang taäglich wiederholen mußte. (Später und 
auch schon damals haben Ungläubige und Spötter selbst einen 
wirklich Andächtigen und entschiedenen Christen wohl einen 
Tartuͤfe genannt; gewiß sehr mit Unrecht) Noch jetzt haben 
die Franzosen den Geschniack an Moliere nicht verloren, 
wie sie sich auch noch immer durch feinen Witz auszeichnen, 
und in vollsthümlichen Lustspielen uns Deutsche überflügeln. 
Boileau (geboren 1636, 41711,) war jünger, als 
Moliere, und sieht ihm auch im Ruhme nach. Seine Sa— 
yren gefielen den Franzosen durch ihre treffliche Schreibart, 
denn noch nie hat ein Franzose so schön in Versen geschrie— 
ben. In seinen poetischen Episteln strebt er, mit Horaz, dem 
geistreichen Römer, zu wetteifern. Sein beißender Spott 
Jog ihm viele Feinde zu, aber Ludwig XIV. berief ihn an 
seinen Hof, und ernannte ihn zu seinem Geschichtschreiber. 
Einige merkwürdige Gelehrten uf dieser Zeit 
kann ich aus Mangel des Raums nur im Vorbeigehen 
anführen. Peter Bayle, (1647 —1706) war der Sohn 
eines reformirten Prebdigers in Foix; er änderte seine 
Religion mehr als einmal, und zweifelie an jedem Glau— 
ben, am katholischen und reformirien, und von einem Lande 
mußte er ins andere fliehen; um sein Brod zu gewinnen, 
gab er in der Fremde Privatunterricht für die heranwach- 
sende Jugend. Seine Schriften brachten ihn in viele Hän— 
bdel mit der Censur; am berüchtigsten ist sein historisches 
und kritisches Wörterbuch, in welchem er Zweifel 
gegen die Religion vorträgt, ohne sein Urtheil auszuspre— 
chen. Tiefe Wissenschaft besaß Bayle nicht, sonst wäre er 
mit seiner eigenen Ueberzeugung wohl auf's Reine gekom— 
men. Er wußte nicht einmal, welche herrliche Entdeckungen 
Newton in der Naturlehre gemacht hatte, dieser unsterb- 
liche Engländer, von welchem ich noch erzählen werde. 
Halbgelehrte neigen oft zum Unglauben hin, während gründ- 
liche Gelehrte uünd gediegene Denker, wenn sie mit dem 
Wissen Bescheidenheit und wahre Weisheit verbinden, dem 
Glauben huldigen. Bayle ist als Vater und Beförderer der 
oberflächlichen Conversationslexikons -Gelehrsamkeit und der 
seichten Halbbildung und Aufklärerei anzusehen. 
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