Full text: Die Geschichte des Mittelalters enthaltend (Bd. 2)

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der Welt Licht und der ganzen Menschheit Heil sich über 
die Erde verbreitet hat, in den Händen heillose, verabscheute 
Lehren närender Völker sind, als darüber, daß man in 
Europa selbst alles drückende, was sonst das hartnäckige Hal¬ 
ten an nichtchristUchen, dem Christentume trotzenden Ueber¬ 
zeugungen mit sich fürte, davon entfernt und durch Gleich¬ 
stellung der Juden mit den Christen in einem geistigeren 
Sinne gewissermaßen das heilige Land den Ungläubigen 
Preis gegeben, und des ungebildeteren Volkes religiöse 
Vorstellungen fast absichtlich zum Jndifferentismus hinge» 
fürt hat. 
Der Gedanke, Palästina wider zu einem christlichen 
Reiche zu machen, der vorher als frommer Wunsch zuwei¬ 
len aufgestigen sein mochte, ward überal rege, seit die selb* 
schukischen Türken sich des heiligen Landes bemächtigt hat¬ 
ten, denn sie triben Frevel aller Art. Die Abenteuerlichkeit, 
die durch die damit verbundene Gefahr eine Pilgerfart be¬ 
kam, reizte um so mehr. Dann aber irten Tausende ver¬ 
unglückter Pilger in und um Jerusalem umher, und halfen 
nur das Elend der dort einheimischen Christen vermehren. 
Von allen aber, die nach Europa kamen aus dem heiligen 
Lande, um in die Heimat zurückzukeren, oder wenn es 
palästinensische Christen waren, um Hülfe zu suchen, wur¬ 
den die lautesten Klagen über die Entehrung des heiligen 
Landes und die schrecklichen Grausamkeiten der Türken er¬ 
hoben. Es entstund fast eine algemeine europäische Entrü¬ 
stung, die aber einerseits am tatkräftigsten ward, wo die 
heimischen Verhältnisse am unbefridigendsten waren, wie 
in Frankreich, und andrerseits am wenigsten anschlugen, 
wo besondere Hindernisse eintraten, wie in Deutschland. 
Besonders ln Frankreich muskc der Enthusiasmus groß sein für 
die Kreuzzäge, weil hier sich die karolingische Lchcnsmonarchie ge¬ 
wissermaßen zerbröckelt und sich durch die zufällige Macht und das 
Besitztum einzelner vom Adel an Land und an Hoheitsrechten ein 
ganz neues Lehegssystem gebildet hatte, wobei der Lchcnsman fast 
so berechtigt gegen den Lehcnsbern stund, wie dieser gegen jenen upd 
alle algemcinen Interessen fast aufhörten. Auch war Frankreich 
durch die Kämpfe im südlichen Italien und auf der pvrenäischen 
Halbinsel vorbereiteter, und es war fast notwendig, daß sich die
	        
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